In den letzten Jahren hat sich ein deutlicher Wandel in der Arbeitswelt vollzogen. Diversität und Inklusion sind zu wichtigen Themen geworden – nicht zuletzt, weil Unternehmen erkennen, welchen Wert vielfältige Teams und Arbeitsumgebungen für ihren Erfolg haben.
Wenn über Diversität gesprochen wird, dreht sich die Diskussion allerdings meist um eine ethnische und kulturelle Vielfalt, verschiedene Geschlechter, Generationen und sexuelle Orientierungen, soziale Hintergründe oder auch religiöse Überzeugungen. Ein weiterer wichtiger Bereich wird leider oft vernachlässigt: Neurodiversität. Dabei lösen Teams Probleme schneller, kreativer und erfolgreicher, wenn ihre Mitglieder an völlig unterschiedlichen Punkten in diesem Spektrum verortet sind und damit ganz eigene Denkweisen und Problemlösestrategien einbringen.
Agile Frameworks und neurodiverse Teams
Das haben mittlerweile auch viele Firmen erkannt. Besonders in modernen, agilen Frameworks wie Scrum, Kanban und Scale Agile zahlt sich die Arbeit in einem neurodiversen Umfeld aus. Das Ziel solcher Frameworks ist es, die Anpassungsfähigkeit, Effizienz und Innovation der mit ihm Arbeitenden zu verbessern – und das gelingt besonders gut mit vielfältigen Teams. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie der Harvard Business Review im Jahr 2017. Aber warum ist das so?
Ein wichtiger Grund sind die bereits angesprochenen vielfältigen Perspektiven der einzelnen Teammitglieder. So bringt jeder Menschen einzigartige Fähigkeiten und Ansätze zur Problemlösung mit. Zum Beispiel besitzen hochsensible Menschen, solche mit ADHS oder Autisten oftmals eine hohe Aufmerksamkeit fürs Detail, sind außergewöhnlich kreativ oder denken unkonventionell. Gerade in agilen Umgebungen, in denen Innovation im Vordergrund steht, ist das ein unschätzbarer Vorteil. Im Zusammenspiel in Teams entsteht so ein breites Spektrum an Ideen und Lösungen, welches zu innovativeren und effektiveren Ergebnissen führt.
Neurodiverse Teams sind anpassungsfähiger und kommunikativer
Ebenfalls entscheidend für ihren Erfolg ist es, dass neurodiverse Teams durch ihre Zusammensetzung anpassungsfähiger und flexibler sind. Jedes Mitglied muss sich an Denk- und Arbeitsweisen anpassen, die teils grundlegend von der eigenen abweichen. Am Ende profitieren alle von der generellen Einstellung, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren – im Miteinander und in der Projektarbeit.
Neben unterschiedlichen Denk- und Arbeitsweisen treffen in neurodiversen Teams auch unterschiedliche Arten der Kommunikation aufeinander. Was zunächst nach einer möglichen Hürde für erfolgreiche Zusammenarbeit aussieht, erweist sich aber schnell als das genaue Gegenteil. In homogenen Teams passiert es leicht, dass nicht über Aspekte gesprochen wird, die alle als selbstverständlich ansehen. Treffen nun aber unterschiedliche Arten der Kommunikation aufeinander, bedarf es einer deutlicheren Absprache, um Missverständnisse zu vermeiden. In diesem Rahmen fallen dann auch schneller voneinander abweichende Einschätzungen auf – noch bevor sie später zu größeren Problemen führen können.
Neurodiversität in der IT-Branche
Die IT-Branche hat die Bedeutung von Neurodiversität schon früh erkannt und gefördert. Unternehmen wie Microsoft, SAP und Hewlett Packard Enterprise haben Neurodiversitätsinitiativen ins Leben gerufen, um die einzigartigen Talente und Fähigkeiten aller Menschen zu nutzen.
Auch wir bei Fujitsu schätzen neurodiverse Teams sehr. Sie bringen eine breite Palette an Perspektiven, Ideen und Lösungen ein – was zu besseren Entscheidungen und Ergebnissen führt. Auch auf zwischenmenschlicher Ebene haben solche Teams große Vorteile. Sie fördern ein integratives und respektvolles Arbeitsumfeld. Aus Erfahrung wissen wir, dass unsere Mitarbeiter*innen so zufriedener sind und sich dem Unternehmen verbundener fühlen.
Die richtigen Rahmenbedingungen schaffen
Für erfolgreiche Neurodiversität ist es entscheidend, dass die Rahmenbedingungen passen. Zum einen bedeutet das, die offene Kommunikation und das Verständnis in agilen Teams zu fördern. Zum anderen ist es wichtig, die einzigartigen Bedürfnisse und Stärken aller Teammitglieder zu erkennen und zu schätzen und gleichzeitig eine inklusive und unterstützende Atmosphäre zu schaffen.
Die wohl wichtigste Bedingung ist es aber, allen die gleichen Chancen zu geben und sich nicht von (unbewussten) Vorurteilen lenken zu lassen. Das passiert leider schneller, als uns allen lieb ist. Jeder von uns hat unbewusste Vorurteile, die sich auf unser Urteil, unsere Entscheidungen und unser Handeln auswirken. Dieses Phänomen ist so weit verbreitet, dass es einen eigenen Namen hat: Unconcious Bias.
Unbewusste Vorurteile: Unconcious Bias
Bei der Entstehung des Unconcious Bias spielt Stereotypisierung eine große Rolle. Wir bilden uns ein Urteil über jemanden nur auf der Grundlage der Hautfarbe, des Alters, der sexuellen Orientierung, der sozialen Herkunft oder des Geschlechtes. Die individuellen Eigenschaften des jeweiligen Menschen werden dabei nicht mehr berücksichtigt oder von den allgemeinen Zuschreibungen überlagert. Zum Beispiel wird für einen Job ein Mann einer Frau vorgezogen – denn diese Stelle ist ja sicher nicht für Frauen geeignet. Oder eine Person wird aufgrund einer einzelnen positiven oder negativen Eigenschaft im Ganzen positiv oder negativ bewertet – völlig egal, welche anderen Eigenschaften sie noch besitzt. Auch neigen wir dazu, Menschen mit ähnlichen Eigenschaften oder Hintergründen positiver zu bewerten als solche, die vollkommen anders sind als wir.
Dabei gibt es eine ganze Reihe Maßnahmen, die wir gegen das Unconcious Bias ergreifen können. Im Zentrum steht dabei, dass wir uns unsere unbewussten Vorurteile bewusst machen und diese hinterfragen. Ein möglicher Weg dorthin ist es zum Beispiel, die Vielfalt in der Belegschaft zu erhöhen und sicherzustellen, dass alle die gleichen Chancen haben. Wird das positive Miteinander im Alltag erfolgreich gelebt, kommt es viel schneller in den Köpfen aller an.
Neurodiverse Teams im Alltag: das Barcamp in Frankfurt
Aber wie kann dieses Miteinander im Alltag aussehen? Wie können wir das Unconcious Bias in unserer Arbeitswelt überwinden? Mit diesen wichtigen Fragen hat sich vor kurzem ein Barcamp im Frankfurter Silberturm beschäftigt. Bei dem von der DB Systel GmbH und Fujitsu organisierten Event trafen sich fast zwei Dutzend Mitarbeiter*innen beider Unternehmen und tauschten sich zum Thema „Neurodiversität und Agilität – vorurteilsfrei gemeinsam erfolgreich sein“ aus.
Im Mittelpunkt stand eine Reihe wichtiger Fragen: Wie kann eine erfolgreiche Zusammenarbeit aussehen, die alle anspricht? Wie gelingt das besonders in einem agilen Zusammenspiel? Wie können wir Neurodiversität nutzen, um die Agilität und Anpassungsfähigkeit unserer Teams zu verbessern? Am Ende spannender Diskussionen standen viele wichtige Learnings. Einige der zentralen Ergebnisse des Workshops:
- Jedes Gehirn ist so einzigartig wie eine Schneeflocke.
- Neurodiversität ist ein Geschenk, das wir nutzen müssen.
- Wir müssen Aufklärungsarbeit leisten und informieren. Zum Beispiel: Welche Ausprägungen von Neurodiversität gibt es überhaupt? Was heißt das für die gemeinsame Arbeit und wie kann eine vielfaltsbewusste Zusammenarbeit aussehen?
- Nur wenn wir mehr Wissen über die Vielfalt aufbauen, können wir uns gegenseitig besser verstehen und erfolgreicher und zufriedener zusammenarbeiten.
- Wir müssen mehr Kommunikationsräume schaffen, in denen Menschen aus allen Bereichen der Neurodiversität miteinander kommunizieren und sich gegenseitig verstehen lernen können.
Der Schlüssel zum Erfolg: miteinander reden
Das Frankfurter Barcamp ist ein solcher Kommunikationsraum. Es hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns austauschen und miteinander reden. Nur so gelingt es uns, eine gemeinsame Basis für Verbesserungen im Arbeitsalltag zu schaffen und diese anzugehen. Auf dieser Basis können wir dann agile Frameworks optimal nutzen und die unterschiedlichen Perspektiven und Herangehensweisen aller Teammitglieder gewinnbringend einbringen. Denn nur in einem vielfältigen und inklusiven Teamumfeld können alle Mitarbeiter*innen ihr volles Potenzial freisetzen und Innovationen und Erfolg vorantreiben.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmer*innen des Barcamps für ihren Einsatz und die vielen interessanten Gespräche. Aufgrund des großen Erfolges denken wir schon jetzt über eine weitere Auflage im Herbst diesen Jahres nach. Die angeregten Diskussionen und wertvollen Ergebnisse haben auf jeden Fall gezeigt, dass es noch viel zu besprechen gibt.
Impressionen vom Barcamp
Die Autorinnen
Doris Kish ist DE&I Lead bei Fujitsu. Sie setzt sich für die Gewinnung und Förderung von vielfältigen Talenten und diversen Teams bei Fujitsu ein, betreut u. a. das Frauennetzwerk, Kooperationen und Kampagnen. Mit großer Leidenschaft für DE&I möchte sie es allen Mitarbeitenden bei Fujitsu ermöglichen, sie selbst zu sein, sich zu entfalten, mit anderen in Kontakt zu treten und voneinander zu lernen. Jetzt vernetzen:
Eva-Maria Zölfl ist Head of Modernization Business Consulting bei Fujitsu. Sie ist mit viel Spaß und Freude an der Arbeit, insbesondere in Zusammenarbeit mit Menschen. Talente erkennen & vernetzen und Kreativität freisetzen sind ihr Ding; gemeinsam wachsen und voneinander lernen ist ihre Devise. Ihr liegt es am Herzen, individuelle Fähigkeiten zu fördern und jedes Individuum zu fordern, um gemeinsam erfolgreich ein Ziel zu erreichen. Im Mittelpunkt ihres Handels steht immer der Mensch an sich. Jetzt vernetzen:
Doris Kish ist DE&I Lead bei Fujitsu. Sie setzt sich für die Gewinnung und Förderung von vielfältigen Talenten und diversen Teams bei Fujitsu ein, betreut u. a. das Frauennetzwerk, Kooperationen und Kampagnen. Mit großer Leidenschaft für DE&I möchte sie es allen Mitarbeitenden bei Fujitsu ermöglichen, sie selbst zu sein, sich zu entfalten, mit anderen in Kontakt zu treten und voneinander zu lernen. Jetzt vernetzen: