Die Evolution steht nicht unbedingt für etwas Schönes. Im Klartext: der Stärkere überlebt. Die Schwächeren gehen dagegen unter. Nichts anderes passiert nach Karl-Heinz Land, Gründer der Strategie- und Transformationsberatung neuland Gmbh, Autor, während der Digitalisierung – ein digitaler Darwinismus. Sein Sohn vergleicht es mit dem Aussterben der Dinosaurier. Wer sich mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auseinandersetzt, kann jedoch zu den Überlebenden gehören. Potentielle Opfer dagegen gibt es viele. Was Land mit dem Digitalen Darwinismus meint und warum Dinge alles verändern können, erklärte der Autor in seiner Keynote auf der Fujitsu World Tour 2017 – mit sehr lebendigen Beispielen.
Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft radikaler als die industrielle Revolution
Yahoo und AOL – zwei die das Internet mit erfunden haben. Heute bezeichnet Karl-Heinz Land die Anbieter als „Staub im Universum“, sie spielen keine Rolle mehr. Zwei Opfer des Digitalen Darwinismus. Obwohl sie zu den Digital Natives gehören. Um das „Warum“ zu verstehen, müssen wir alle Facetten der digitalen Transformation beleuchten. Die Ausmaße, die Wirkung und seine Mechanismen, die unsere Gesellschaft radikaler verändern als die industrielle Revolution zuvor. So radikal, dass sein Sohn es mit dem Verschwinden einer ganzen Spezies vergleicht. Mit dem Einschlag eines Meteoriten. Wer oder was aber entscheidet, wer überlebt und wer nicht?
Um dem nachzugehen, erforscht der Darwinist erst einmal die Auswirkungen der Digitalisierung. Dazu stellt er drei Thesen auf:
Alles was sich digitalisieren lässt, wird auch digitalisiert. Wenn es sich vernetzen lässt, wird es auch vernetzt. Alles was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert.
Produktion. Vernetzung. Automatisierung. Ende.
Für die erste Aussage gibt es praktische und ökonomische Gründe. Zum Beispiel wenn man die E-Mail mit dem Brief vergleicht. Briefmarken kosten nicht nur mehr, der Aufwand für einen Brief spricht ebenfalls eine deutliche Sprache. Speicher hingegen kostet beinahe nichts mehr. Spinnen wir den Faden weiter landen wir bei der zweiten Aussage, die für alle Arbeitsprozesse gilt. Das selbstfahrende Auto bildet ein gutes Beispiel. Um es mit den Worten von Karl-Heinz Land zu sagen: Produktion. Vernetzung. Automatisierung. Ende. Fährt das Auto selbst, brauchen wir keinen Fahrer mehr. Die Online-Welt und die Offline-Welt gehören von nun an untrennbar zusammen. Ob wir das mögen oder nicht, entscheidet nicht über den Erfolg.
Diese Entscheidung nimmt uns der Kunde ab. Möchte er uns online erreichen und kann es nicht, sucht er sich jemand anderen. Wie radikal sich diese Prozesse bereits geändert haben, sehen wir an aktuellen Geschäftsmodellen. Früher fanden Kunden ihre Unternehmen in den gelben Seiten, heute könnten wir sogar eine Beziehung per WhatsApp beenden. Wir müssen Produkte nicht mehr besitzen. Wir können Autos leasen oder teilen. Damit gerät der Retailer in Zugzwang. Er verkauft sein Auto nicht mehr, vielleicht bezahlt der Kunde nur noch pro gefahrenen Kilometer.
Wie können wir neue Produkte entwickeln, wenn die Welt dematerialisiert
Damit verlagern sich Interessen. Sowohl die des Kunden als auch die des Händlers. Mit pay-as-you-use-it entscheidet nicht der Verkaufspreis über den Erfolg, sondern die tatsächlich gefahrene Strecke. Wer sich mit diesen Aspekten nicht auseinandersetzt, drängt sich nach Karl-Heinz Land aus dem Geschäft. Die entscheidende Frage bleibt: wie können wir neue Produkte entwickeln, wenn die Welt dematerialisiert? Was bedeutet das überhaupt? Dinge, die wir kennen, verschwinden aus unserem Leben.
Den Autoschlüssel gibt es als App auf dem Smartphone. Oder als Implantat. Um ihn zu entwickeln, braucht es also Softwareentwickler, User Interface Designer und Security-Spezialisten. Keine Spritzgießer und Fräser mehr. Können wir aus den Spritzgießern gute Security-Spezialisten machen? Was tun Unternehmen, die Autos herstellen und 550.000 Mitarbeiter haben von denen 540.000 „Blech verbiegen“? Das Verhältnis stimmt auf einmal nicht mehr. Eine unschöne Frage, die aber geklärt werden muss. Das Produkt selbst bildet eine Säule des digitalen Hauses von Karl-Heinz Land. Eine Weitere steht für den Kundenkontakt. Auch das Unternehmen 4.0 spielt eine Rolle.
Dinge verschwinden, indem sie digitalisieren
Vorhandene Silos helfen uns nicht weiter, es kommt auf die Zusammenarbeit an. Weiter warnt Land davor, die Säule der Unternehmenskultur zu unterschätzen. Wer sich jahrelang nur auf Stabilität konzentriert hat, wird schwer auf Agilität umschwenken können. Hier jedoch liegt der Schlüssel, um den Digitalen Darwinismus zu überleben. Nach einer Studie von Gartner fahren auf unseren Straßen im Jahr 2026 bereits mehr führerlose Autos als Fahrzeuge mit Fahrer. Also in zehn Jahren. Nach Karl-Heinz Land wird die Entwicklung dieser nächsten zehn Jahre größtenteils unterschätzt – und warum überhaupt passiert das alles jetzt?
Computer existieren seit 80 Jahren. Jetzt „knallt es jeden Tag“. Wieso erklärt Land mit seinem Handy. Eigentlich müsste man das Smartphone als Computer bezeichnen. Einen Computer, der etwa fünf mal mehr Rechenleistung besitzt als derjenige, der die Apollo 13 im Jahr 1969 auf den Mond brachte. Ein Smartphone wiegt gerade einmal 180 Gramm, der NASA Computer von 1969 wog fünf Tonnen und kostete 120 Millionen Dollar. Ein Supercomputer von 2016 steht im Dienste des Wetterdienstes Offenbach. Auch dieser wiegt drei Tonnen. In ein paar Jahren, vermutet Karl-Heinz Land, lassen wir uns diesen Computer implantieren. Digitalisierung treibt die Dematerialisierung voran. Dinge verschwinden, indem sie digitalisieren.
Eine Enlosschleife, die sich beliebig fortsetzten lässt
Jede neue Erfindung beschleunigt die Nächste. Dazu kommt die Komponente des Internets der Dinge. Oder der Services, wie Land es nennt. In drei Jahren befinden sich nach Studien 30 Milliarden vernetzte Dinge in unserer Welt. Im Jahr 2025 wird das Internet der Dinge mit 11 Billionen Dollar zur weltweiten Wertschöpfung beitragen. Die Hälfte dieser Aktivitäten kommen aus Start-ups und Services. 80 Prozent machen den Service-Bereich und nicht mehr das reine Produkt aus – denn zwischen der physischen und digitalen Welt steht immer noch der Mensch. Dieser besitzt Dinge. Karl-Heinz Land besitzt jetzt zwei Dinge. Eine Apple Watch und ein Implantat. Dinge verbinden sich mit einem Business und dieses wiederum bietet ganzheitliche Services an.
Eine Endlosschleife, die sich beliebig fortsetzen lässt. In dieser endlosen Vernetzung müssen Unternehmen denken. Um das zu können, brauchen wir eine Vision. Dann bekommen wir eine Chance. Karl-Heinz Land:
Die Digitalisierung ist die Chance für diesen Planeten!