Vor einer Weile verriet uns Pascal Hess hier in Fujitsu Aktuell, was ein Data Scientist überhaupt ist und mit welchen Inhalten er sich beschäftigt. Heute berichtet er erneut aus seinem Fachgebiet – und zeigt anhand des Fujitsu 4AI-Frameworks auf, wie ein Framework Schritt für Schritt dabei hilft, den Wandel zu einem datenzentrierten Unternehmen zu gestalten.
In Gesprächen mit Interessenten und Kunden wird uns bei Fujitsu oft die Frage gestellt, wie die erfolgreiche Umsetzung analytischer Themen in einem Unternehmen aussehen kann. Dabei ist häufig noch ganz grundlegend unklar, in welchen Fällen tiefergehende Analytics überhaupt Mehrwerte liefert, mit welchen Aufwänden und Aufgaben bei der Umsetzung zu rechnen ist und wozu man insbesondere Data Scientisten benötigt. Dazu kommt nicht selten eine Verunsicherung wegen widersprüchlicher Aussagen zum Thema. Auf der einen Seite gibt es unrealistische Versprechungen, mit denen die schnelle Lösung der komplexesten Probleme in Aussicht gestellt wird. Auf der anderen Seite steht dann jedoch eine unüberschaubare und sich stetig ändernde Technologievielfalt. Schnell erwächst der falsche Eindruck, es müssten hohe siebenstellige Summen und jahrelange Vorarbeit für eine erfolgreiche Umsetzung investiert werden.
Mit dem richtigen Framework ist alles „halb so wild“
Das Fujitsu 4AI-Framework wurde von einem Team von Business Consultants und Data Scientisten entwickelt, um in genau solchen Fällen eine klare Orientierung und Hilfestellung zur erfolgreichen Einführung und Nutzung von Advanced Analytics und Künstlicher Intelligenz zu geben. Heute möchten wir Ihnen das Framework einmal genauer vorstellen.
Der Name 4AI steht für Advanced Analytics and Artificial Intelligence. Unter den Begriffen werden die nächsten beiden analytischen Entwicklungsstufen nach Business Intelligence verstanden. Der Blick geht dabei nicht in den Rückspiegel, sondern ist vorwärtsgerichtet. Durch die Anwendung von mathematisch-statistischen Verfahren werden Vorhersagen und maschinelles Lernen ermöglicht, das letztendlich durch die Automatisierung zu künstlicher Intelligenz führt.
Das Framework basiert auf der langjährigen Erfahrung der Beteiligten in analytischen Projekten und hat sich branchenübergreifend von Manufacturing über Retail bis zu Finance bewährt. Es unterstützt eine agile und gleichzeitig sehr strukturierte Projektumsetzung, erschließt schnell und umfassend Lernfelder und sichert den Projekterfolg. Aufgeteilt in die fünf Phasen Scope, Prepare, Build, Deploy und Run, liefert das Framework für jeden Kunden die richtigen Optionen.
Die einzelnen Phasen des Fujitsu 4AI Framework
Mit den ersten beiden Bausteinen der Scope-Phase, dem AI Readiness Assessment und der Entwicklung von Anwendungsfällen, wird die Grundlage für das Verständnis der Materie und die erfolgreiche Durchführung von analytischen Projekten bereitgestellt. In den Phasen von Prepare bis Deploy unterstützt das Framework bei der konkreten Umsetzung der Anwendungsfälle – von der Entwicklung der Lösungen bis hin zur Begleitung des Aufbaus eigener AI-Organisationen. In der Run-Phase schließlich steht der Betrieb der analytischen Lösungen im Fokus.
Durch die Quality-Gates minimiert sich zudem das Risiko für den Kunden: Zu vorab definierten Meilensteinen ist ein Ausstieg aus dem Projekt auch vor der eigentlichen Beendigung möglich. Diese strukturierte und gleichzeitig pragmatische Herangehensweise sorgt dafür, dass das Thema Advanced Analytics und Künstliche Intelligenz nicht aus einem reinem Selbstzweck heraus betrieben wird. Vielmehr sind alle Entscheidungen transparent und belastbar und dienen dazu, Sie bei der erfolgreichen Entwicklung hin zu einem datenzentrierten Unternehmen zu unterstützen.
Wie das im Einzelnen in den jeweiligen Phasen erreicht wird, erklären wir Ihnen im Folgenden im Detail.
Phase 1: Scope
Hier setzt das AI Readiness Assessment an. Es liefert in zwei bis drei Wochen eine klare Positionsbestimmung und langfristige Perspektiven für die erfolgreiche Umsetzung von analytischen Themen. Vor Ort betrachten wir von Fujitsu die Organisation mit einem 360°–Blick und übertragen dabei unsere langjährigere Erfahrung in das Unternehmen. Wie nachhaltig ist der Umgang mit Daten? Gibt es genügend Raum zur Entfaltung von Innovationen? Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell und zukünftig? Das sind nur einige konkrete Beispiele für Fragen aus den sechs Dimensionen Business Case, Strategie und Kultur, Governance, Technologie, Daten sowie People und Organization, die wir im Rahmen des Assessments beleuchten.
Für jede Dimension wird eine Bewertung auf einem eigens entwickelten Radar angegeben und so ist auf einen Blick erkennbar, wie entwickelt die einzelnen Bereiche bereits sind. Im Nachgang erhalten Sie einen individuellen Bericht, in dem aufgezeigt wird, wie Ihr Unternehmen aktuell analytisch aufgestellt ist. Weiterhin werden Ihnen konkrete Handlungsempfehlungen zur Erreichung von ersten Erträgen in Form einer Roadmap gegeben.
Im Assessment werden dabei auch bereits mögliche Anwendungsfälle thematisiert, die dann in einem nächsten Schritt – der auch einen ein- bis zweitägigen Workshop beinhaltet – weiter ausgearbeitet werden. Damit wird das Fundament für eine gelungene Umsetzung und langfristigen Erfolg gelegt und möglichst alle Fragestellungen betrachtet, die in den jeweiligen Fachbereichen vorhanden sind. Diese werden einzeln auf bestimmte Kriterien, wie z. B. die Wirtschaftlichkeit oder rechtliche Aspekte, geprüft und daraus vollständige Anwendungsfälle entwickelt.
Nach diesem Prozess werden oftmals die Themen umgesetzt, die zu Beginn noch nicht im Fokus standen und die sich erst durch eine geführte Diskussion ergeben haben. Genauso werden dabei häufig Themen verworfen, die zunächst zentral erschienen, für die aber ein analytisches Vorgehen ungeeignet wären, da z. B. eine einfache Prozessänderung den gewünschten Erfolg viel schneller bringen kann. Analytics kann dann dabei unterstützen, den idealen Prozess zu definieren, um diese Ziele effizient zu erreichen. Daneben achten wir darauf, dass die Anwendungsfälle wirtschaftlich sind und am Ende zu einem umsetzbaren Ergebnis führen. Sollte dies nicht der Fall sein, weisen wir darauf proaktiv hin. So kann ein Fehlinvestment vermieden werden – denn Analytics dient keinem Selbstzweck.
Nach einer abschließenden Priorisierung der Anwendungsfälle beginnen wir gemeinsam mit Ihnen die Planung der Umsetzung im Rahmen eines analytischen Projektes. Je nach Komplexität, der analytischen Reife des Unternehmens, den verfügbaren Ressourcen und des Budgets kann hier durchaus an mehreren Fällen gleichzeitig gearbeitet werden. Wir unterstützen Sie ebenfalls gerne bei der dafür notwendigen inhaltlichen Priorisierung. Es wird gemeinsam ein Zeitplan erarbeitet, die benötigten Daten, Technologien und Rollen werden bestimmt und die Quality Gates definiert. Die einzelnen Quality Gates beinhalten Kriterien, deren Erfüllung für eine Fortsetzung des Projekts zwingend erforderlich ist. Sie beinhalten zudem definierte Ausstiegsoptionen nach den einzelnen Projektphasen und minimieren somit das Risiko für den Kunden.
Phase 2: Prepare
Mit der Bestätigung des ersten Quality Gate, das üblicherweise die Verfügbarkeit der benötigten Technologie sowie der fachlich relevanten Personen und Daten adressiert, beginnt das eigentliche Projekt.
Diese Phase dient grundsätzlich der Vorbereitung der Entwicklung des analytischen Modells und ist zeitlich betrachtet die längste, aber auch insgesamt die umfangreichste Phase. Der Aufwand, der hier geleistet werden muss, wird gemeinhin unterschätzt – ist aber für den Erfolg des analytischen Projekts entscheidend. Es wird ein essenzielles Verständnis der zugrunde liegenden Prozesse erarbeitet und die für die Analyse benötigten Daten werden zusammengestellt und aufbereitet. Dieser Prozess ist iterativ und erfordert eine intensive Abstimmung innerhalb der Projektteams, die aus Business Consultants, Data Scientisten und Domänenexperten aus den jeweiligen Fachbereichen des Kunden bestehen. Das Projektteam wird hierbei durch Ansprechpartner insbesondere auf der technischen Seite, aber auch durch Entscheider und das Management unterstützt.
Die Hauptaufgabe des Data Scientist besteht in dieser Projektphase darin, die Daten zu sichten, erste Analysen durchzuführen und die Qualität mit den Vorgaben und der Fragestellung abzugleichen. Zusammen mit dem Business Consultant, der die Schnittstelle in den jeweiligen Fachbereich darstellt, und den Domänenexperten aus den jeweiligen Fachbereichen, werden die Ergebnisse validiert und bewertet. Durch eine Voranalyse in der Scope-Phase lässt sich das Risiko minimieren, dass der Zustand der Daten einen negativen Effekt auf das Projekt hat, die Daten z. B. keine Rückschlüsse auf das eigentliche Problem zulassen, zu viele Lücken enthalten oder inhaltlich inkonsistent sind. Dennoch sind kleinere Anpassungen an den Daten in dieser Phase üblich, z. B. die Einschränkung auf eine bestimmte Produktgruppe oder das Zusammenfassen von Kategorien.
Neben den die eigentliche Analyse vorbereitenden Tätigkeiten wird in dieser Phase ein weiterer zentraler Aspekt aufgegriffen: Die Schaffung eines grundlegenden Verständnisses zu dem Umgang mit und dem Inhalt von Daten. Dies erfolgt zum einen auf Prozess-Ebene, zum anderen müssen organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden. Wo liegt die Verantwortung für Daten, Stichwort Data Governance? Wie kann die Datenqualität für die Fachbereiche transparent gemacht werden? Wo entstehen Innovationen? Welche Ressourcen werden benötigt? Dies ist nur eine Auswahl von vielen Fragen, wie sie auch im Assessment vorkommen und gerade durch die intensive Auseinandersetzung mit den Daten im Rahmen der Prepare-Phase greifbarer werden. Die Veränderungen, die durch die Beantwortung der Fragen angestoßen werden, führen letztendlich zur Schaffung der idealen Voraussetzungen für einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg durch Analytics.
Phase 3: Build
Sind alle Kriterien an Daten und die Fragestellung erfüllt, beginnt die analytische Arbeit mit den Daten. Je nach Fragestellung werden dabei in einem iterativen Verfahren die passenden mathematisch-statistische Beschreibungen (Modell) angewandt und die beste davon für das weitere Vorgehen ausgewählt. Dies kann z. B. ein Modell sein, das in der Qualitätsprüfung sich schleichend entwickelnde Serienfehler frühzeitig erkennt. Auch das richtige Angebot zur richtigen Zeit für den Endkunden, das eine Abwanderung verhindert oder den Umsatz steigert, kann durch so ein Modell definiert werden.
Bei der Entwicklung der Modelle gilt der Grundsatz, dass diese so einfach wie möglich aufgebaut sein sollen, da komplexere Verfahren oftmals nur einen minimalen Zugewinn bei der Modellgüte liefern, aber oft nicht die gewünschte Transparenz bieten. Gerade für Anwender, die die analytische Entscheidung klar nachvollziehen wollen, sind komplexe Modell nicht immer geeignet. Hierfür ist Deep Learning – eine spezielle Form eines neuronalen Netzwerkes – ein sehr gutes Beispiel, das von Anwendern sehr oft nachgefragt wird, jedoch relativ komplex werden kann. Oft ist es jedoch besser, auf einfacher zugängliche Verfahren wie z. B. eine logistische Regression oder einen Entscheidungsbaum zurückzugreifen.
Ein wichtiger Schritt in dieser Phase ist es, aus den Daten möglichst gute Variablen abzuleiten, die mit dem Problem in Zusammenhang stehen und später in das Modell mit einfließen. Dieses durchaus als kreativ zu bezeichnende Verfahren wird „feature engineering“ genannt und erfolgt erneut in einem engen fachlichen Austausch innerhalb des Projektteams. So wird es z. B. in einem Fertigungsprozess entscheidend für die Qualität des Produkts sein, wie oft an einem Tag die Temperatur der Anlage einen bestimmten Schwellwert überschritten hat. Diese Häufigkeit wird aus den Daten abgeleitet und als neue Information übernommen. Durch das iterative Vorgehen und die enge fachliche Abstimmung wird so im Laufe des Projekts ein bestmögliches Modell erarbeitet.
Phase 4: Deploy
Wenn das passende Modell gefunden wurde und sich auch bei der Anwendung auf unbekannten Daten bewährt hat, geht es in der anschließenden Phase in die Produktivsetzung und damit zum Abschluss des Projekts. Das Modell wird in die bestehenden Prozesse integriert und liefert nun in vorgegebenen Abständen Ergebnisse. Die ersten Betriebswochen dienen dabei der Sicherstellung der Ergebnisse, im Normalfall laufen die alten Prozesse hier noch parallel ab. Nach und nach werden diese auf das neue System umgestellt und bei Bedarf letzte Anpassungen an dem Modell oder den Prozessen vorgenommen.
Phase 5: Run
Auch im regulären Betrieb sollten in regelmäßigen Abständen Prüfungen der Ergebnisse des Modells vorgenommen werden. Hierbei ist es wichtig, dass eine detaillierte, im Projekt erstellte Dokumentation vorliegt, so dass alle Prozesse inklusive der verwendeten Datenquellen transparent nachvollziehbar sind. Sollten sich die Voraussetzungen für den Betrieb grundlegend ändern, müssen auch die Modelle einer entsprechenden Neubewertung unterzogen werden. Die Run-Phase dient auch dazu, die weiteren, aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse umzusetzen und bei Bedarf in einen neuen Projektzyklus gemäß dem Framework einzusteigen. Gerade jetzt ist es entscheidend, das durch das Projekt entstandene Momentum zu nutzen. Die Vorteile von Advanced Analytics und Künstlicher Intelligenz sind nun auf Basis von eigenen Anwendungsfällen greifbar, die Vorgehensweise erprobt und die Basis für den grundlegenden Wandel hin zu einem datenzentrierten Unternehmen geschaffen.
Das Fujitsu 4AI Framework – Zusammenfassung
Mit dem 4AI-Framework erhalten Sie für den gesamten analytischen Reifeprozess klare Orientierung und Hilfestellung. Wir von Fujitsu unterstützen Sie dabei gezielt und pragmatisch an den passenden Stellen in der benötigten Breite und Tiefe. Ist Ihnen noch vollkommen unklar, wie Advanced Analytics oder Künstliche Intelligenz grundsätzlich umzusetzen wären, dient das AI Readiness Assessment als der nötige Kompass, um den Weg zur erfolgreichen Bearbeitung analytischer Themen sicher beschreiten zu können. Sind erste Grundlagen geschaffen, aber die richtigen Anwendungsfälle noch nicht gefunden, erarbeiten wir diese gemeinsam mit Ihnen im Rahmen von Workshops und liefern die passenden analytischen Impulse. Und ist die Basis bereits vorhanden, aber bestehen noch Unklarheiten bzgl. einer konkreten Umsetzung, unterstützt wir Sie in der Begleitung oder Durchführung in Form von analytischen Projekten.
Sie haben noch Fragen? Gerne beraten wir Sie auch hinsichtlich passender Technologien. Hier handeln wir jedoch stets nach dem Grundsatz, die Frage- oder Problemstellung des Kunden vorrangig zu betrachten – und die Technologie anschließend folgen zu lassen.