Frauen in der IT: Vorbilder können sehr hilfreich sein - Interview mit Dr. Christina Eleftheriadou

Hier in Fujitsu Aktuell berichten wir viel von unseren Produkten, Services und Lösungen. Oder von Events, auf denen Sie uns finden können – und was Sie verpasst haben, falls Sie nicht vor Ort waren. Auch brandaktuelle Themen wie die Smart Cities, Digitale Bildung oder Quantencomputing stehen immer wieder im Fokus von Beiträgen. Doch über eines schreiben wir eigentlich noch viel zu selten: die Menschen „hinter den Kulissen“, die in unserem Unternehmen Tag für Tag hinter diesen Themen stehen und uns voranbringen. Wie sind sie zu Fujitsu gekommen? Wie sieht ihre tägliche Arbeit aus – und welche Herausforderungen müssen bewältigt werden? In einer kleinen Interviewserie möchten wir Ihnen ab heute in loser Folge ein paar Mitarbeiterinnen vorstellen.

Als erstes haben wir mit Dr. Christina Eleftheriadou gesprochen, Head of Digital Transformation Consulting & Professional Services, Central & Eastern Europe bei Fujitsu. Im Interview hat sie uns verraten, welche Herausforderungen es in ihrer Karriere bisher gab – und wie sie ihren Weg trotzdem gegangen ist. Außerdem teilt sie ein paar Karrieretipps mit uns. Unter anderem diesen: Vorbilder können sehr hilfreich sein.

Danke Christina, dass Du Dir heute Zeit für dieses Interview nimmst. Da Du jetzt zu Corona-Zeiten – wie viele andere – Homeoffice und Kind unter einen Hut bringen musst, weiß ich das wirklich zu schätzen.

Sehr gerne! Ja, das ist im Moment schon herausfordernd. Unsere Tochter ist aber schon 9, da ist selbständiges Arbeiten schon eher möglich. Ich merke allerdings, dass sie immer mehr Interaktion mit uns braucht, je länger sie nicht in die Schule darf oder andere Kinder treffen kann. Neulich hat sie tatsächlich schon gefragt: „Mama, wann darf ich wieder in die Schule?“.

Da sieht man, wie weit es schon gekommen ist. Meine Tochter hat auch nach der Kita gefragt und will sonst nichts lieber als bei Mama und Papa bleiben… Wie war Deine Kindheit? Würdest Du sagen, dass Dein Elternhaus sehr prägend für das war, wo Du jetzt stehst?

Ich bin in einem sehr liebevollen Umfeld aufgewachsen. Und ja, zurückblickend haben mich meine Herkunft und meine Familie maßgeblich geprägt. Meine Eltern kamen in den 70er-Jahren als Gastarbeiter aus Griechenland nach Deutschland. Sie haben beide in der Fertigung gearbeitet und waren in Schicht tätig. Für mich und meine Schwester war es selbstverständlich, dass auch meine Mutter gearbeitet hat. Und meine Eltern sind schon immer sehr fleißig gewesen, das war für mich ein Vorbild. Vor allem wollte meine Mutter immer, dass meine Schwester und ich selber entscheiden können, welche Ausbildung wir machen. Wir sollten es mal besser haben. Meine Schwester und ich haben dann auch beide an einer Uni studiert.

Wie ging es dann nach dem Studium weiter?

Nach dem BWL-Studium in Augsburg habe ich ein Angebot für eine Promotion bekommen und war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl. Zu meinen Aufgaben gehörten wissenschaftliche Veröffentlichungen, die Betreuung von Diplomarbeiten und Seminaren und das Halten von Vorlesungen. Mein Professor hat sich auch gewünscht, dass ich habilitiere, aber ich habe mich damals dagegen entschieden.

Ich wollte in die Praxis und hatte angefangen, mich zu bewerben. Produktmanagement fand ich vielfältig und international. Fujitsu Siemens Computers hatte damals eine Stelle ausgeschrieben, die interessant klang. Über die Branche hatte ich mir erstmals gar nicht so sehr Gedanken gemacht. Als es mit dem Job geklappt hat, habe ich mich durch viel Lesen auf den technisch aktuellsten Stand gebracht. Ich glaube, es hat deswegen funktioniert, weil ich es wollte. Ich habe mir das technische Know-how mit „Learning on the Job“ selbst angeeignet und es dann lieben gelernt. Es gab aber auch viele tolle Kollegen, die mich unterstützt haben. Wir waren die „AMILO-Girls“ in einem jungen und internationalen Team und saßen oft bis in die Nacht zusammen, um über zukünftige Produkte zu diskutieren. Nachdem die Consumer Produkte eingestellt wurden, bin ich über Zwischenstationen zum Serverteam gewechselt.

Nach ca. 4 Jahren im Job kam dann meine Tochter zur Welt. Ich bin ein Jahr mit ihr zuhause geblieben. Das habe ich sehr genossen, wollte dann aber auf keinen Fall länger aus dem Job sein.

Hattest Du das Gefühl, dass sich die veränderte private Situation auf Deinen Job auswirkt? Das hört man ja von vielen.

Ja, durchaus. Auf einmal war das Vorankommen schwieriger, weil oft andere für mich vorausgedacht haben. Da hieß es dann: „Bleib doch hier im Team, dann hast Du es einfacher, wenn Du das 2. Kind bekommst“. Das war wirklich nett gemeint, aber nicht mein Weg. Ich bin drangeblieben und schließlich hat es dann mit einer Führungsaufgabe in einem anderen, mir neuen Bereich geklappt. Konsequenz und Mut haben sich ausgezahlt. Es ging mir gar nicht um „Karriere“ in eigentlichen Sinn, sondern um meine eigene Weiterentwicklung.

Hört sich so an, als ob Du einiges an Energie und Hartnäckigkeit aufbringen musstest, um voran zu kommen.

Ich war sehr flexibel, effizient und hatte meine klaren Ziele. Fast ein Jahr später kam dann eine zukünftige neue Führungskraft aus Großbritannien nach Deutschland und wollte mich treffen. Durch meine Teilnahme am Future Leader Programm (Anmerkung der Redaktion: eines der Talentprogramme bei Fujitsu) war ich nun wohl offenbar irgendwie auf dem Radar. Die Personalabteilung hatte mich informiert, dass derjenige eine fachliche Assistenz suchte. Eigentlich wollte ich nicht einmal zum Gespräch gehen. Ich befand mich da, wo ich sein wollte, hatte endlich eine Führungsaufgabe – und jetzt sollte ich die Position wechseln?

Ich holte mir Rat von meiner Mentorin und meiner Schwester. Mein Kopf sagte nein, Bauch und Herz waren aber dafür. Meine Mentorin sagte dann etwas zu mir, das ich mir gemerkt habe: „Kopf hast du genug, hör auf Dein Herz„. Schließlich habe ich den Job angenommen und es war wirklich eine Bereicherung. Es hat mir Einblicke in eine völlig neue Welt ermöglicht, die der Executives. Es war auch ein Vorteil, einen englischen Muttersprachler als Chef zu haben. Er vertraute mir und er gab mir auch die Chance, zum Beispiel Präsentationen für ihn zu halten und sehr selbstständig zu arbeiten und zu entscheiden.

Oh je, bei mir als Mutter rattert es da gleich im Kopf. Wie hast Du das mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hingekriegt? Der Job war ja sicher mit einiger Reisetätigkeit verbunden?

Ja, das stellte gelegentlich schon eine Herausforderung dar. Das Einfliegen meiner Mutter aus Griechenland gehörte auch mal auf die kurzfristige Tagesordnung, wenn es gar nicht anders ging. Aber meistens haben wir es für alle gut hinbekommen und wir haben uns darauf eingestellt, dass wir einen höheren Aufwand bei der Planung haben.

Andererseits waren gerade die internationalen Reisen in meinem Job eine enorme Bereicherung, da ich mit sehr vielen unterschiedlichen Kulturen zusammenarbeiten durfte – und auch heute noch darf. Ich kannte das ja schon von jeher: Ich bin in zwei Kulturen und bilingual aufgewachsen und habe in unterschiedlichen sozialen Schichten (Arbeiter und Professoren) gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit Menschen auf der ganzen Welt – Südafrika, Israel, die Balkan-Länder, Russland, Japan und so weiter – hat mir sehr viel Freude bereitet und meiner persönlichen Entwicklung wirklich geholfen.

Um noch einmal auf die Frage zurückzukommen: Ja, in den letzten Jahren hat meine Reisetätigkeit zugenommen. Aber zeitgleich habe ich auch eine gewisse Flexibilität und Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wann und wo ich sein darf.

Hast Du Dich manchmal als Exotin gefühlt in der IT? Nicht männlich, nicht technisch…

In den meisten Jobs, die ich gemacht habe und mache, war ich von Männern umgeben – sicher mit einem Anteil von oft über 90 %.

Das war für mich nie ein Thema, weil ich tolle und vor allem sehr hilfsbereite Kollegen hatte, unabhängig  ob Mann oder Frau. Auf der anderen Seite haben mir schon oft „andere“ gefehlt. Denn anders zu sein ist ja gut. Ein Exot oder eine Exotin in einem IT-Unternehmen zu sein, bereichert ungemein, finde ich. Dadurch ändert sich einiges in der Zusammenarbeit. Vielfältigere Teams erarbeiten auf jeden Fall die innovativeren Lösungen.

Privat nehme ich auch gerne das Beste aus beiden Welten mit, der griechischen und der deutschen. Beides ist ein Teil von mir – und es ist toll, zweimal Ostern zu feiern. Wenn die Leute meinen Namen hören, kommt oft automatisch ein: „Aha, eine Griechin„. Und wenn ich dann anfange zu sprechen, setzen sie hinzu „Die schwäbelt aber ganz schön„. Eine griechische Schwäbin sozusagen.

Hast Du Karrieretipps, die Du teilen möchtest?

 Ich bin glücklich mit dem, wie es gelaufen ist. Ich habe mir immer mal wieder einen groben Plan über meinen gewünschten nächsten Weiterentwicklungsschritt zurechtgelegt. Wenn es Gegenwind gab, habe ich mich nicht abschrecken lassen beziehungsweise auch die Konsequenzen getragen. Außerdem habe ich immer öfter auf mein Herz gehört. Ein starker Wille ist wichtig und gerade als Familie mit Kind auch der Wille, den zusätzlichen Organisationsaufwand auf sich zu nehmen. In meinen Augen hat der sich immer gelohnt.

Ich glaube, den einen richtigen Weg gibt es nicht. Was für mich passt, passt vielleicht für jemand anderen gar nicht. Aber Vorbilder können sehr hilfreich sein. Meine Mutter war in vielerlei Hinsicht eines für mich und die Führungskraft aus Großbritannien war definitiv ein männliches Vorbild. Ich muss aber auch ein Lob an Fujitsu loswerden: Es gab einfach immer im richtigen Moment eine Gelegenheit zum nächsten Schritt. Unsere Personalabteilung macht da einfach einen prima Job.