Fujitsu Aktuell_Innovationskraft im Handel

Florian Richter ist Head of Private Sector und spricht mit uns über die Innovationskraft und das Optimierungspotenzial im Handel, Transport- und Energiesektor.

Lieber Florian, warum müssen Unternehmen heute innovativer sein als früher?

Die Wettbewerbssituation und das Kundenverhalten haben sich verändert und die Verbrauchsoptimierung ist ein enorm wichtiges Thema geworden. Das zeigen auch die jüngsten Zahlen: Bei neun von zehn Händler*innen hat die Digitalisierung enorm an Bedeutung gewonnen. Jedem ist mittlerweile bewusst, dass man neben dem stationären Handel auch eine Onlineplattform oder Click-and-Collect anbieten sollte.

Wenn man vor zwei Jahren in eine Bäckerei gegangen ist, hat man meistens bar bezahlt. Heute kann man, auch wenn man nur 5 Brötchen kauft, mit Karte zahlen. Aber der Handel ist nur ein Beispiel, schauen wir uns den Luftverkehr an: Die Passagierzahlen sind durch die Pandemie massiv gesunken, teils auf 10 bis 15 % Auslastung. Hinzu kommt, dass heute viele Menschen das Thema Klimaneutralität ganz anders bewerten. Wir sind 2021 bei zwei Milliarden Passagieren, die aber in absehbarer Zukunft wieder stark steigen werden. Die Zahl könnte bis 2030 auf 5,6 Milliarden und bis 2050 auf 10 Milliarden Passagiere wachsen. Um klimaneutral zu sein, müsste die Branche bis dahin 1,8 Gigatonnen CO2 ausgleichen. Auf diesem Weg braucht es unabdingbar mehr Innovationen, um erfolgreich zu sein.

Sind Klimaschutz und Digitalisierung die maßgeblichen Treiber von Innovationen?

Aus meiner Sicht ist die aktuelle Situation ein immenser Treiber für Innovation und Digitalisierung. Die Frage ist, ob die aktuellen Investitionen dauerhaft sind oder eher ein einmaliger Effekt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ein Bericht der KPMG zeigt, dass die Investitionen im Handel gerade jetzt notwendig sind, geht aber davon aus, dass dieses Investitionsvolumen zukünftig nicht beibehalten wird. Insofern wird es spannend sein zu beobachten, ob sich das aktuelle Tempo und Volumen halten lässt.

An die Innovationsfreudigkeit und -geschwindigkeit knüpft auch das Fujitsu Headquarter in Japan an. Wie sehen die Impulse für die Märkte in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus?

In den letzten Jahren ist das digitale Business deutlich in den Fokus gerückt. Neben dem klassischen Servicegedanken „Wie betreiben wir die Umgebung für unseren Kund*innen?“ rücken digitale Lösungsansätze immer mehr in den Fokus. Dabei gibt es Portfolioelemente, die vor Ort für den jeweiligen Markt entwickelt werden. Andere Elemente werden im Headquarter entwickelt und für den Markt in Deutschland, Österreich und der Schweiz adaptiert. Unser Vorteil ist, dass man dank der globalen Aufstellung viel von den anderen Ländern lernen kann. So können wir auf internationale Expertise bauen und gleichzeitig mit unseren marktspezifischen Erfahrungen verbinden.

Demzufolge ist eine gute Innovation eine Innovation, die perfekt auf den Markt passt, für den sie entwickelt wurde?

Eine gute Innovation entsteht insbesondere dann, wenn man mit Kund*innen oder einer Branche eine gängige Problemstellung gemeinsam angeht, bspw. im Rahmen eines Co-creation-Ansatzes. Das heißt, ich verstehe die Herausforderung gemeinsam mit meinen Kund*innen und schaue dann, wie sie gelöst wird. Je nach Markt- und Kundengegebenheiten reicht es nicht, mit Standards zu agieren. Innovation ist customized, entsteht gemeinsam und im besten Fall wird sie nicht nur einmalig platziert, sondern kann ein Thema immer weiter optimieren. Auch die Skalierbarkeit ist ein wichtiger Punkt im Thema Innovation.

Fujitsu entwickelt zusammen mit den Kund*innen Lösungen, die aus Pain-Points in verschiedene Formate abgeleitet werden. Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen?

Unser Human Centric Experience Design-Ansatz ist unabhängig vom Ort. Wir haben bei Fujitsu Digital Technology Center, um in einer abgekapselten Umgebung mit Kund*innen an verschiedensten Problemstellungen zu arbeiten. Mit unserem Equipment geht das natürlich auch bei den Kund*innen vor Ort. Im Kern steht immer das gemeinsame Verständnis einer Problemstellung und das Diskutieren von Lösungsansätzen.

Wir führen diese Diskussionen im besten Fall mit mehreren Kund*innen aus verschiedenen Branchen und sehen, dass ähnliche Herausforderungen mit ähnlichen Lösungsansätzen optimiert werden können. In der Umsetzung wird die Problemstellung dann tiefer ausgearbeitet.

Hast du dazu ein Beispiel aus dem Alltag?

Wir hatten folgende Aufgabenstellung: Ein großer Einzelhändler möchte bis 2030 klimaneutral sein. Wir starteten mit der Optimierung des Teilbereichs Klima & Heizung und dem klaren Ziel, 10% Energiekosten zu reduzieren. Das Ergebnis war eine klassische digitale Lösung: eine Mischung aus einem Fujitsu IoT-Cockpit, einer Fujitsu Software im Hintergrund und Robotic Process Automation. Das war der Startpunkt und wir sehen, dass das sehr gut funktioniert. Jetzt schauen wir, wie weit sich die Optimierung erweitern lässt, um dem Ziel sukzessive näher zu kommen.

Als Head of Private Sector bist du Ansprechpartner für verschiedene Branchen. Erkennst du gemeinsame Herausforderungen in unterschiedlichen Sektoren?

Man findet dieselbe Herausforderung in verschiedenen Ausprägungen in allen Branchen. Deshalb kann der grundlegende Lösungsansatz durchaus derselbe sein. Zum Beispiel die Strecken- bzw. Netzwerkoptimierung: Das kann heißen, dass ein Telekommunikationsanbieter sein klassisches Netz optimieren will und sich fragt, in welcher Dichte bestimmte Antennen ausgerichtet werden müssen. Über Netzwerkoptimierung spricht man aber auch mit Transportdienstleistern. Nur ist deren Netzwerk das Streckennetz und die Frage lautet: Welches Fahrzeug nutzt welche Umleitung, sollte die bisherige Strecke blockiert sein.

Mit digitalen Technologien wie beispielweise quanteninspiriertem Computing kann man die Entscheidungsfindung und Optimierung enorm unterstützen, weil sie in der Lage sind, in kürzester Zeit viele Rechenoperationen durchzuführen. Die Operator*innen können ihre Entscheidung somit auf Basis fundierter Daten und zudem deutlich schneller treffen.

Es gilt also, in sehr kurzer Zeit die optimale Kombination aller möglichen Faktoren zu finden. Wie ist da die Wirkungsweise von KI und Automatisierungsprozessen?

Die Magie von quanteninspiriertem Computing liegt darin, dass es deutlich schneller ist als jeder marktübliche Rechner. Durch den gezielten Einsatz künstlicher Intelligenz oder bestimmter Technologien wie Robotic Process Automation / KI kann man sich dadurch viel besser aufstellen, um mindestens mit dem Wettbewerb Schritt zu halten oder sich im besten Fall einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten. Das ist etwas, was alle Branchen miteinander vereint und in den letzten zwei bis drei Jahren deutlich zugenommen hat.

Gleichbedeutend mit Optimierung ist die Automatisierung. Zum Beispiel bei Onlinebestellprozessen oder automatisierten Auftragseingängen. Wie viel Potenzial siehst du in Automatisierungsprozessen?

Automatisierung bedeutet für jeden etwas anderes. Es gibt Unternehmen, die Reisekostenprozesse vollumfänglich digitalisiert haben – von den Belegen bis hin zum SAP-System. In anderen Unternehmen ist dieser Prozess nur teil- oder noch gar nicht automatisiert. Einfach, weil sich die Automatisierung in diesen Fällen noch gar nicht aufgedrängt hat, weil es so wenig Reisekosten gibt.

Man muss also schauen, wie groß das Optimierungspotenzial in einem Themenfeld ist. Die Absprungbasis ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Die einen sind hochgradig automatisiert, andere fangen erst an, sich damit auseinanderzusetzen. Dahingehend gibt es nicht den einzigen, optimalen Weg.

Welche Entwicklungen siehst du in den nächsten 10 bis 15 Jahren im Private Sector?

Wir sind noch lange nicht da, wo wir sein könnten. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass die Digitalisierung ein Riesenthema ist und ich sehe das auf der einen Seite als Weckruf und auf der anderen als Chance. Eine zentrale Frage neuer Geschäftsmodelle wird sein: Wie schaffe ich es zukünftig, gegen Störfaktoren besser gerüstet zu sein? Es wird einiges passieren in den nächsten Jahren. So einfache Dinge wie in einer Bäckerei mit Karte oder sogar mit Smart Watch zu zahlen, sind allgegenwärtige Zeichen.

Innovation passiert immer wieder. Die Frage ist eben, ob dieses Momentum wieder verpufft oder ob im besten Fall ein andauernder Prozess daraus wird. Die Antwort ist ausschlaggebend dafür, wo wir in 5 bis 10 Jahren stehen.

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