Data Science Blogs gibt es viele, doch in den meisten davon kommt die tägliche Arbeit im Zusammenspiel mit den Kunden kaum vor, der Fokus liegt häufiger auf Methoden, Tools und Ergebnissen. Ich möchte das ändern und schreibe daher an dieser Stelle in loser Folge über das, was mich im Arbeitsalltag beschäftigt. Dies soll einen Einblick in den „attraktivsten Job des 21. Jahrhunderts“ jenseits von Glitzer und Glamour geben.
Als ich vor knapp 15 Jahren mit meinem Studium begann, war es um den Statistiker denkbar schlecht bestellt. Der Studiengang konnte nur durch eine groß angelegte Werbekampagne am Leben gehalten werden und auch im universitären Alltag hatte man es als Student nicht immer leicht. Von Mathematikern und Physikern bestenfalls milde belächelt, bei Medizinern wenig beliebt und vom Rest überhaupt nicht beachtet, fristete man sein Dasein in einer Ecke mit den anderen exotisch klingenden Studiengängen. Auch die Tatsache, dass Statistik tatsächlich ein eigenständiger Studiengang war, sorgte immer wieder für ungläubige Nachfragen. Dies führte zu der Kreation eines T-Shirts, das die häufigsten Fragen auf Studentenpartys und bei Besuchen der Familie in einem Aufwasch mit drei Sätzen beantworten konnte:
„Ja, das kann man studieren!“
„Nein, ich baue keine Häuser!“
„Nein, ich arbeite nicht beim Film!“
Die Welt hat in 15 Jahren viele Veränderungen gesehen und so ist nun auch der Beruf eines Statistikers gefragt wie nie zuvor, einige Kollegen haben sich selbst zu Rockstars gemacht und drücken wohl bald ihre Hände in den Beton. Die gängige Rezeption sieht uns als weisen Gallier mit langem Bart, der an seinem Kessel steht und den alle Probleme lösenden Zaubertrank braut. Wäre man doch nur damals schon das coolste Kind auf dem Schulhof gewesen, mag sich wohl der ein oder andere dabei denken, es hätte wohl dem Verlauf so mancher Party eine ganz andere Richtung gegeben. Auch wird es Kollegen geben, die froh darüber sind, wenn der Hype sich wieder etwas gelegt und ein anderer Job es auf der Skala der Attraktivität bis ganz nach oben geschafft hat.
Jede Medaille hat zwei Seiten, aber im Ergebnis bin ich über diese Entwicklung natürlich sehr erfreut. Und das nicht, weil mein Posteingang auf den gängigen Seiten regelmäßig vor Anfragen der Personalvermittler komplett überzulaufen droht sondern weil sich eine Erkenntnis in den letzten Jahren immer stärker durchgesetzt hat: Daten haben einen Wert. Sie erfordern einen besonderen Umgang und ein, wenn man so will, eigenes Ökosystem. Dazu ist eine entsprechende Integration unabdingbar, wenn man diesen Wert „erreichbar“ machen möchte. Die Arbeit des Statistikers, in seltenen Fällen auch Data Scientist genannt, ist dabei nur ein Teil der gesamten Wertschöpfung. Aber sie ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um das Potenzial und die Abweichungen von einem Idealzustand aufzuzeigen.
Mit künstlicher Intelligenz steht uns schon das nächste wichtige Thema ins Haus, aber dennoch sieht der Alltag in vielen Unternehmen noch ganz anders aus. Da geht es primär um die äußerst wichtige Basisarbeit. Angefangen von der Erkenntnis um den Wert der Daten, der Umstellung von Abläufen und Systemen bis hin zu ersten Analysen einhergehend mit einem tieferen Verständnis der eigenen (Geschäfts-)Prozesse. Ich habe es schon erlebt, wie gängige Vorstellungen und Annahmen, die teilweise ein ganzes Jahrzehnt die Entscheidungen in einem Unternehmen beeinflusst haben, bereits durch einfache Analysen von erstmals konsolidierten Daten in Frage gestellt wurden.
Gleichzeitig haben diese Ergebnisse gezeigt, dass Statistik oder Data Science keinem Selbstzweck dient. Ein komplexer Fall mag einen ausgefeilten Ansatz benötigen, gerade wenn man statistische Analysen in die Produktion überführen möchte. Aber das muss nicht zwingend der Fall sein. Am Ende des Tages ist entscheidend, dass die genannten Themen unter einer ganzheitlichen Datenkultur zusammengeführt werden, die an allen Kontaktpunkten im Unternehmen gelebt wird. Im Kern steht dabei ein Kreislauf aus Analysen, Erkenntnissen und Verbesserungen, der gerade vom Data Scientist getrieben sein sollte. Hier eine aktive Rolle zu spielen, halte ich für eine der wichtigsten Ziele meiner täglichen Arbeit.
Trotz meiner ursprünglichen Intention habe ich nun tatsächlich nichts über meinen Alltag erzählt und Sie mit dem Titel ein wenig in die Irre geführt. Aber ich hole es nach, versprochen.