Das Zeitalter des Internets ist unlängst angebrochen und durch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten vom Alltag sowohl im Büro als auch Wohnzimmer kaum mehr wegzudenken. Das Internet bietet jedoch mehr und mehr das Potenzial, sich als „Internet der Dinge und Dienste“ weiterzuentwickeln und soll so den Einzug in die Industriehallen finden.

Nach Mechanisierung durch Wasser- und Dampfkraft Ende des 18. Jahrhunderts, der Einführung von Fließbandproduktion mithilfe von elektrischem Strom bis hin zur Digitalisierung und damit dem Einsatz von IT für die Produktionsautomatisierung nun an der Schwelle hin zur vierten großen Revolution in der Geschichte der Industrie und somit vor einem entscheidenden industriellen Wandel der Zeit – „Industrie 4.0“ ist das neue Trendwort, wenn es um zukünftige Themen wie Smart Home, Smart Factory und Smart Building geht.

Doch wird sich “Industrie 4.0” als neue Epoche in die Geschichtsbücher schreiben und sich tatsächlich durchsetzen? Oder verzeichnen wir einen erneuten Aufruhr um Nichts? – Hype oder tatsächlich baldige Realität?

Hintergrund

Der Kühlschrank erfasst seinen Inhalt, merkt sich, wenn Produkte herausgenommen werden, um dann den Besitzer per App auf dem Smartphone daran zu erinnern, neue Milch und Eier einzukaufen. Währenddessen bestellt sich die Spülmaschine nebenan online selbstständig Reinigungstabs, wenn diese keinen Vorrat mehr zur Verfügung hat.

Das ist längst kein Science-Fiction-Szenario mehr. Schon heute ist so ein Smart Home möglich und realisierbar. Durch etliche Sensoren und komplexe Vernetzung werden die Objekte zu sogenannten „Cyber-Physical-Systems“, kurz CPS: Intelligente Maschinen, die eigenständig Informationen austauschen, Aktionen auslösen und sich gegenseitig selbsständig steuern.

Auch in den Produktionshallen sollen virtuelle und reale Welt verschmelzen. Im Zeitalter von Industrie 4.0 sollen die Produkte durch RFID-Chips und Smart Labels selbständig mit den Produktionsanlagen kommunizieren, um ihnen so bestimmte Parameter mitzuteilen.

„Welches Waschmittel gehört in die Flasche? Wie muss der Rohling geschliffen werden? Wohin muss das Ersatzteil gesandt werden? Wann muss das Auto zur Reparatur?“ Es entsteht eine Smart Factory. Durch das Internet der Dinge und Dienste soll dies standortunabhängig funktionieren. „Mit dem Internet der Dinge bauen wir ein System, das die Welt bislang noch nie gesehen hat“, meint Stefan Ferber von der Bosch Software Innovations GmbH.

Deutschland ist eines der weltweit führenden Länder in der Forschung und Entwicklung der Industrieproduktion. Genau deshalb hat sich die Bundesregierung entschieden, „Industrie 4.0“ in die Hightech-Strategie mitaufzunehmen. Deutschland beteiligt sich somit maßgeblich an der bevorstehenden Revolution.

Ende 2011 wurde ein Arbeitskreis erstellt, der für die Erarbeitung weiterführender strategischer Umsetzungsempfehlungen des Zukunftsprojekts zuständig ist. In dem Arbeitskreis agieren unter anderem IT-Unternehmen und Großkonzerne, aber auch Professorinnen und Professoren von verschiedensten Universitäten unterstützen als wissenschaftlichen Beirat den Arbeitskreis.

Chancen und Risiken

„Ich hoffe, dass Industrie 4.0 uns in Deutschland Vorteile im internationalen Wettbewerb verschafft. Die drei starken deutschen Branchen Elektrotechnik, Informatik und Maschinenbau zusammen können dies erreichen. Wenn nicht wir, wer dann?“, so Dr. Matthias Möller, Bosch Rexroth in Homburg.

Die Forschungsunion  für Wirtschaft und Wissenschaft stellt ein Budget von 200 Millionen Euro für die Plattform Industrie 4.0 zur Verfügung und hofft so auf einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Industrie-Großmächten USA und Asien. Made in Germany – Durch dieses Qualitäts-Siegel will sich Deutschland an der vordersten Front der Entwicklung profilieren.

Die Vorteile von Industrie 4.0 liegen klar auf der Hand: Durch die direkte Kommunikation der Systemkomponenten findet die Maschine selbst heraus, ob das Produkt rot oder blau lackiert werden soll. Ein umständliches Umprogrammieren ist somit nicht mehr nötig und auch die Produktion von Einzelstücken oder Kleinstmengen kann rentabel werden. Zudem werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Es müssen neue, innovative Berufswege erschlossen werden. So werden zukünftig Ingenieure benötigt, die Fachwissen sowohl in der IT als auch in der Produktion nachweisen können.

Allerdings muss das Thema auch kritisch beäugt werden. Es gibt noch viele Herausforderungen und Risiken, die Industrie 4.0 mit sich bringt. Maschinen, die mit dem Internet kommunizieren sind immer Gefahrenpunkte was Sicherheit betrifft. Sollte sich in Zukunft alles in der Cloud abspielen, müssen neue IT-Sicherheitsstrategien entwickelt werden, um für Datenschutz zu sorgen und Manipulation von Produktionssystemen auszuschließen.

Bei der Realisierung von Industrie 4.0 sind Breitbandanschlüsse unerlässlich – und das auch in ländlichen Gebieten. Hier muss noch reichlich nachgebessert werden. Zudem müssen neue technische Standards gesetzt werden, um die Kommunikation der Cyber-Physical-Systems zu ermöglichen.

Industrie 4.0 steht für eine Revolution der Produktionsarbeit – Für Smart Factory. Kritiker befürchten, dass in ferner Zukunft Roboter die Maschinenhallen dominieren werden und sehen somit die Arbeitsplätze von einfachen Produktionsarbeitern gefährdet.

„Mehr Ingenieure braucht das Land“ – Doch was geschieht tatsächlich mit den Arbeitskräften des mittleren Bildungssegments? Doch der Einsatz von CPS reicht noch weiter. Roboter und Drohnen sollen zukünftig viel stärker das Militär bei ihren Kriegseinsätzen unterstützen.

Dadurch kommen neue, bisher unbeantwortete Rechtsfragen auf. Wer wird bestraft, wenn eine autonome Maschine einen Schaden verursacht? Der Hersteller? Der Programmierer? Oder derjenige, der die Maschine einsetzt? Wer haftet bei Fehlfunktion der Maschine auf Schadensersatz? Welche Voraussetzungen sind nötig, um eine autonome Maschine einzusetzen und wer bestimmt diese? Gibt es eine Möglichkeit, sich gegen durch autonome Maschinen hervorgerufene Schäden zu versichern?

Industrie 4.0 ist sicherlich kein Hype um Nichts. Es ist ein ernstzunehmendes Thema, das bald in die Realität übergehen kann. Roboter und Smart Products könnten unseren Alltag zukünftig tatsächlich stark beeinflussen. Das ist allerdings ein Evolutionsprozess, der nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Experten sind sich einig, dass sich Industrie 4.0 wie wir es uns heute vorstellen frühestens 2025 vollständig durchgesetzt hat.

Dennoch stellt sich vor allem eine Frage:  Wie weit wollen wir gehen?

„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlungen verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“  –  Treffender hätte es der renommierte Philosoph Hans Jonas nicht ausdrücken können. Es bleibt abzuwarten, was die Verantwortlichen daraus machen und inwieweit Industrie 4.0 tatsächlich unsere Lebensweise revolutionieren wird. Bis dahin werden  wir uns stückweise der vierten industriellen Revolution nähern – Industrie 4.0.