Von sperrigen Akten zur smarten Justiz – dank Robotic Process Automation

Die Justiz befindet sich mitten auf dem Weg der digitalen Transformation. Dadurch und durch den Trend zu „Legal Tech“ rückt mit Robotic Process Automation (RPA) eine extrem spannende Technologie in den Fokus. Routinebehaftete, zeitraubende und gegebenenfalls auch fehleranfällige Prozesse lassen sich durch diese automatisieren, was den menschlichen Sachbearbeiter*innen Luft verschafft, sich auf die wesentlichen Inhalte ihrer Tätigkeit zu konzentrieren.

Vor kurzem beleuchteten Florian Strunk, Vorstandsmitglied des deutschen EDV-Gerichtstages, und die Fujitsu RPA-Experten Stefan Denz, Head of Digital Product Services, und Timon Schmotz, Strategic IT Consultant Public Sector, in einem Webinar, welche praxisnahen Ansätze RPA im Bereich der Justiz bietet.

Die Rolle von Robotic Process Automation (RPA)

Die Rolle von Robotic Process Automation (RPA)Die Digitalisierung gilt als eine der größten Herausforderungen für die Justiz in den kommenden Jahren. Ein Beispiel für die Veränderungen, die sie mit sich bringt sind Roboter, die noch oft als Bedrohung für Arbeitsplätze angesehen werden. Doch eigentlich erleichtern sie den Arbeitnehmer*innen vor allem das Leben, indem sie ihnen zeitraubende Routinetätigkeiten abnehmen.

„Jede und jeder von uns hat einige nervige Themen, die immer wieder auf dem Tisch landen, und die man gerne automatisieren würde: genau hier greifen Software-Roboter an„, erklärte Stefan Denz im Webinar. Die virtuellen Assistenten ermöglichen es den menschlichen Mitarbeiter*innen, sich auf den wertschöpfenden Aspekt ihrer Arbeit zu konzentrieren. So kann die zur Verfügung stehende Zeit deutlich effektiver genutzt werden. Roboter sind deshalb keine Bedrohung, sondern Partner, die den Alltag der Arbeitnehmer*innen angenehmer und effektiver gestalten.

Wie unterscheiden sich Software-Roboter von Menschen – und wie nützlich sind sie?

Eine der Fragen, die im Webinar aufkamen, war die nach den konkreten Tätigkeiten von Software-Robotern. Die Antwort: Die „virtuellen Kollegen“ ahmen die Arbeitsweise von Menschen nach. Das können sie vor allem in drei Bereichen sehr gut:

  1. Die Automatisierung von Workflows: Sie interagieren nach dem menschlichen Vorbild mit verschiedenen Anwendungen, zum Beispiel mit E-Mail-Programmen oder Microsoft Excel. Dabei treffen sie Entscheidungen auf der Grundlage einfacher Regeln, es ist also keine menschliche Kreativität erforderlich.
  2. Eine durchgehende Datenverarbeitung: Eine der häufigsten Tätigkeiten, die Mitarbeiter*innen auf einem PC ausführen, ist die Überbrückung der Lücke zwischen zwei verschiedenen Anwendungen. Ein Beispiel: Jemand erhält per E-Mail ein Dokument, das in eine Fachanwendung übertragen werden muss. Da diese beiden Anwendungen nicht miteinander kommunizieren, muss die Übertragung manuell erfolgen. Wäre es nicht schön, wenn dies ein virtueller Kollege erledigen würde?
  3. Die Automatisierung sämtlicher Geschäftsprozesse: Der virtuelle Kollege kann Prozesse sowohl Hand in Hand mit Fachanwender*innen als auch ganz alleine durchführen. Er kann also komplette Vorgänge automatisieren.

Mehr Zeit für wichtige Aufgaben durch MORE

Doch welche Prozesse eignen sich nun genau zur Automatisierung? Ein guter Ansatzpunkt ist der Merksatz Manuell Oft Regelbasiert Regulär Etabliert (MORE). Durch den Einsatz eines Software-Roboters wird bei den menschlichen Mitarbeiter*innen mehr Zeit für wirklich wichtige Aufgaben geschaffen.

Mehr Zeit für wichtige Aufgaben durch MORE

→ Aufgaben für echte Roboter: Der virtuelle Kollege freut sich auf manuelle Prozesse, bei denen auf mehrere Systeme zugegriffen wird. Hier spielt er seine Stärken voll aus.

Mehr Zeit für wichtige Aufgaben durch MORE

→ Prozesse für Arbeitstiere: Der virtuelle Kollege bevorzugt Prozesse, die oft durchzuführen sind und / oder eine hohe Bearbeitungszeit aufweisen. Im Idealfall liegen über 1.000 Prozessminuten im Monat vor. Prozessminuten berechnen sich dabei aus den Minuten, die für jede Prozessausführung notwendig sind, multipliziert mit der Häufigkeit der Prozessausführung.

Mehr Zeit für wichtige Aufgaben durch MORE

→ Regeln, Regeln, Regeln: Klare Regeln befolgt der virtuelle Kollege zu 100 %. Kreativität und Empathie überlässt er dafür seinen menschlichen Kolleg*innen. Digital macht glücklich: Je digitaler der Input für den virtuellen Kollegen ist, desto glücklicher ist er. Er liebt reguläre E-Mails, Excel-Listen oder Datenbanken. Handschriftliche Vermerke zu lesen und zu interpretieren oder unstrukturierte Daten zu analysieren verweigert er jedoch häufig.

Mehr Zeit für wichtige Aufgaben durch MORE

→ Bitte kein Chaos: Der virtuelle Kollege mag etablierte Geschäftsprozesse und Anwendungen. Junge, instabile Prozesse passen nicht zu seiner Arbeitsweise.

Konkrete Anwendungsfälle für Robotic Process Automation in der Justiz

Natürlich wurden im Webinar auch konkrete Anwendungsfälle in der Justiz vorgestellt. Die anwesenden Experten führten dabei vier Beispiele an.

1. Abgleich und Bereinigung von Datenbanken

Die Kriminalitätsfelder verschieben sich – und mit ihnen die Beweismittel. Der Trend geht zunehmend von physisch zu digital. Die Folge: eine zunehmende Digitalisierung der Asservatenkammer. Hier können Software-Roboter beispielsweise dafür sorgen, dass Löschfristen eingehalten sowie direkt und sauber erfasst werden.

2. Datentransfer zwischen Systemen

Der Datentransfer zwischen Systemen ist der „Klassiker“ unter den Anwendungsfällen. In der Justiz werden Fachanwendungen / Fachverfahren wie ForumSTAR, MESTA und SolumSTAR genutzt, zukünftig dann auch die E-Akte. Die virtuellen Kollegen können hier die manuelle Befüllung ersetzen und dabei helfen, die für solche Tätigkeiten benötigte Zeit zu verkürzen. Eine weitere wichtige Anwendung liegt in der Behandlung von fristgerechten Verfahren mit großem Umfang. Ohne technische Hilfe besteht schnell die Gefahr einer Verjährung.

3. Entlastung bei Recherchetätigkeiten

Die Eröffnung eines Verfahrens beinhaltet die Angabe verschiedener Daten der Beteiligten. Oft wird eine Recherche notwendig, wenn zum Beispiel Name und Adresse bekannt sind, aber nicht der Geburtsort. Über xMeld existiert sogar eine digitale Schnittstelle zum Austausch von Meldedaten. Diese benötigt allerdings eine händische Bedienung. Auch hier können Software-Roboter unterstützen.

4. Überprüfung eingehender Unterlagen

Bei vielen Geschäftsvorgängen müssen Bürger*innen Unterlagen einreichen. Diese können automatisiert schnell und fehlerfrei geprüft werden. Diese Möglichkeit kam auch in einem Use Case zum Tragen, der ebenfalls im Webinar vorgestellt wurde: Die Beantragung eines Erbscheins.

Der Use Case zeigte, wie 65 % der für diesen Prozess benötigten Zeit durch eine Automatisierung eingespart werden kann. Der Grund: Der Roboter kann zuvor manuelle Tätigkeiten wie „Prüfung der eingereichten Dokumente“ und „Eingabe der Informationen in das Fachsystem“ deutlich schneller und präziser ausführen. Ein Mensch benötigt etwa 20 Minuten, um etwas einzugeben. Der Roboter schafft dies innerhalb von Sekunden. Alles in allem ist so eine Ersparnis von durchaus 150 Stunden im Jahr möglich – je Rechtspfleger*in.

Zeitliche Ersparnis durch den Einsatz von Robotic Process Automation

In der Aufnahme des Webinars können Sie sich diesen Use Case ab Minute 37 in allen Details ansehen.

Doch was sollte eine Organisation nun beachten, wenn sie sich für die „Einstellung“ eines virtuellen Kollegen entschieden hat? Auch auf diese Frage gingen die Experten ausführlich ein.

Ein Assistent für jede(n) Anwender*in

Bei der Definition geeigneter Prozesse ist es vor allem wichtig, alle relevanten Kolleg*innen an einem Tisch zu versammeln. Natürlich müssen zum einen die Fachanwender*innen ihr Wissen zur Bedienung und teilweise auch Entstehung der Prozesse beitragen. Zum anderen müssen auch diejenigen Menschen einbezogen werden, die dafür sorgen, dass die technische Umsetzung des Systems fehlerfrei erfolgt.

Unsere Tipps für eine erfolgreiche Einführung von RPA:

  1. Demokratisieren Sie die Einführung: Die Fachanwender*innen erhalten die Chance, ihren eigenen Roboter einzuführen.
  2. Definieren Sie Visionen: In welchen Bereichen und für welche Fachanwendungen können Roboter eingesetzt werden?
  3. Erweitern Sie Einsatzszenarien und entwickeln Sie Synergien: Können verschiedene Vorschläge zusammengefasst werden? Wie viele Kolleg*innen arbeiten an ähnlichen Aufgaben?
  4. Passen Sie das Operating Model an: Erstellen Sie zunächst einen Prototyp und verbessern Sie ihn dann Schritt für Schritt.
  5. Planen Sie den Roll-Out und definieren Sie Roadmaps: Definieren Sie, wann bestimmte Personen involviert sind und wie die Automatisierung weiter implementiert wird.

Mehr zu Robotic Process Automation

Wir hoffen, dass wir Ihnen einen ersten Überblick über die Möglichkeiten und Vorteile der Einstellung eines „virtuellen Kollegen“ geben konnten. Sind Sie neugierig auf Robotic Process Automation geworden? Dann lassen Sie uns gemeinsam Ihre Potenziale für eine mögliche Automatisierung prüfen – sprechen Sie uns einfach an: digitalsphere@fujitsu.com. Weitere Informationen finden Sie ebenfalls auf der DigitalSphere-Webseite. Die Aufzeichnung des Webinars können Sie sich hier ansehen.