Heute heißen wir eine ganz spezielle Gastbloggerin willkommen, die uns zeigt, wie die VISIT von unten aus betrachtet aussieht.
Viele reden über den Stress auf Messen, aber größte Teil hat keine wirkliche Ahnung davon, wer hier am meisten leidet: wir, die Schuhe! Ich zum Beispiel bin ein sehr eleganter Damenschuh: hohe Absätze, aber nicht zu hoch, schlank mit einer schönen Spitze, nicht zu spitz, dezent, aber nicht zu dezent. In jeder Hinsicht perfekt also. Aber, anstelle mich im Museum of Modern Art auszustellen, steckt eine Frau hektisch Ihre viel zu großen Füße in mich hinein und steht dann zwölf Stunden in mir rum. Transpiration trifft auf Inspiration, vom Gewicht des Trägers mal ganz abgesehen. Wie um alles in der Welt soll ich so glänzen und großartig aussehen?
Aber all das wäre noch zu ertragen, wären da nicht meine „lieben Kollegen“. Allein der Anblick reicht um mir den Tag zu ruinieren. Auf Messen findet man beinahe alle Vertreter meiner Spezies. Das ist zwar auf der einen Seite ziemlich interessant, kann aber auch recht verstörend sein. Turnschuhe von Männern z. B. finde ich durch die Bank weg abstoßend. Man fragt sich, ob deren Träger jemals ihre Socken wechseln, bei all der Synthetik um den Fuß macht das gewiss keinen Unterschied, oder?
Die schwarzen Budapester Schuhe am Stand gegenüber sehen mittlerweile ähnlich jämmerlich aus. Als ich sie gestern zum ersten mal sah, konnten Sie vor lauter Stolz kaum laufen. Brandneu, glänzend und ganz schön protzig standen sie da so rum und sahen uns Mädels prüfend an. Jetzt, nach 24 Stunden durchgehendem Dienst, einer improvisierten Reinigung inkl. Fönen nach einem Regenschauer, ist die ganze Arroganz verschwunden. Das durchnässte Preisschild unter der Sole ist alles, was von ihrer Jugend übrig geblieben ist.
Ich beobachte aber auch meine aggressiven weiblichen Kollegen genau. Ganz besonders Stiefel ziehen dabei die Aufmerksamkeit von jedem auf sich. Das einzige, was einem in einem solchen Fall bleibt, ist mit all seiner Schönheit und Eleganz bei den Jungs aufzutrumpfen.
Ah, da guckt wieder einer in meine Richtung. Aber ne, Glanzleder, zu pompös und im Zweifel hat er auch noch Angst, Kratzer abzubekommen, wenn die Sache was ernster wird. Hinter mir höre ich jemanden stöhnen, ächzen und knirschen – muss einer von diesen Schwersteinsätzen sein, sechs Monate Arbeit auf einem Fuß. Ich bin mir sicher, der Kollege war am Anfang mal eine richtige Augenweide, aber nach einem halben Jahr ohne Schuhcreme, von einem Schuhspanner mal ganz zu schweigen, sieht das Leder zerknittert aus und man kann den Schuh unter den 100 Kilo Gewicht seines Besitzers ächzen hören.
Glauben Sie mir, so eine Messe kann wie Folter sein, jederzeit neue Kontakte knüpfen, andauernd die Unzulänglichkeiten übersehen müssen und sich gegen die Alpha-Schuhe durchsetzen, oder gegen die, die glauben, sie wären solche. Aber mit Charme, Kompetenz und einem lächeln auf den Lippen ist das alles möglich.
Ich wünsche Ihnen eine angenehme Zeit und viel Erfolg auf der VISIT oder wo auch immer Sie herumlaufen – und einen trittsicheren Auftritt.
Ihr eleganter Damenschuh.
PS: Nicht nur Damenschuhe brauchen eine Pause