Nachhaltigkeit betrifft uns alle – egal ob als Individuum oder als Unternehmen. In vielen großen Firmen und Organisationen steht das Thema daher mittlerweile ganz oben auf der Agenda. Dabei geht es nicht nur darum, unsere Umwelt und das Klima zu schützen. Vielmehr müssen wir die zur Verfügung stehenden Ressourcen möglichst effizient nutzen. Zusammen mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem aktuell sehr präsenten Thema der Energiesicherheit führt das zu der Notwendigkeit, bestehende Geschäftsmodelle zeitnah anzupassen. Für uns als IT-Unternehmen liegt das Hauptaugenmerk natürlich auf den Technologien, die uns bei diesen Anpassungen unterstützen und sie ermöglichen können.
Auch auf dem Handelsblatt Insurance Summit am 9. und 10. November in Düsseldorf wurde dieses Thema diskutiert. Unter dem Motto „Zukunftsfähigkeit erfordert Veränderung“ ging es bei der Veranstaltung um die aktuellen Herausforderungen der Versicherer: Wie gehen wir mit dem Ukraine-Krieg, der davon getriebenen Inflation und den unterbrochenen Lieferketten um? Wie sichern wir das Wachstum unseres Unternehmens? Was wollen die Kund*innen in der Zukunft? Und: Welche Auswirkungen hat das Thema Nachhaltigkeit auf unsere Branche?
Die aktuellen Herausforderungen der Versicherer
Am ersten Veranstaltungs-Tag sprachen Vertreter*innen großer Versicherer, Rückversicherer, von Behörden und Verbänden unter anderem darüber, wie Versicherer das Vertrauen von Kund*innen gewinnen können, welche Rolle Regulatorik in der Branche spielt und was wir hier in Deutschland vom chinesischen Versicherungsmarkt lernen können. Ebenso ging es um Themen wie den Einsatz von Telematik mithilfe der Cloud, den optimalen Kundenservice oder die nachhaltige Transformation im Mittelstand.
Am zweiten Veranstaltungstag lagen die thematischen Schwerpunkte dann bei der Zeitenwende im Zinsumfeld, beim Wandel der Krankenversicherung und dem hochaktuellen Thema: Wie verändern Nachhaltigkeit und Klimawandel das Geschäftsmodell? In diesem Kontext befasste sich Dr. Martin Schulz, Chief Economist bei Fujitsu, mit der Frage: „Digitale Nachhaltigkeit und Ökosysteme: Wie wichtig werden Blockchains für Versicherungen?“
Nachhaltigkeit als eine der größten Herausforderungen
Nachhaltigkeit, so Schulz, ist eine der größten Herausforderungen, vor denen wir stehen. Um diese bewältigen zu können, gibt es Abkommen wie zum Beispiel den Ende 2019 vorgestellten „European Green Deal“. Dieses definiert das Ziel, die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der Europäischen Union bis 2050 auf null zu reduzieren und somit als erster „Kontinent“ klimaneutral zu werden. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, wird vor allem eines benötigt: Informationen. Wer verursacht die Treibhausgase? Was kann getan werden, um diese zu verringern? Welche Auswirkungen haben die einzelnen geplanten Maßnahmen – und wo sind Nachbesserungen notwendig?
Die Komplexität dieser Herausforderung wird am Beispiel der nachhaltigen Gestaltung von Lieferketten deutlich. Bei den Emissionen, die die Herstellung eines Produkts verursacht, entfallen nur 20% direkt auf das herstellende Unternehmen. Die restlichen 80% sind sogenannte Scope 3-Emissionen. Sie entstehen bei der Herstellung von benötigten Produkten durch Zulieferer und durch den Einsatz des Endprodukts bei den Kund*innen. Um den CO2-Ausstoß also so weit wie möglich zu reduzieren, müssen alle Stationen des Design- und Herstellungsprozesses verknüpft und neu ausgerichtet werden. Dafür ist eine Vielzahl an Informationen für jeden einzelnen Schritt der Wertschöpfungskette notwendig. Diese reichen von „welche Prozesse laufen bei den Zulieferern ab“ bis hin zu „wozu nutzen die Kund*innen das Endprodukt überhaupt?“. Die große Herausforderung: Wenn jedes der beteiligten Unternehmen solche Informationen bei seinen Zulieferern erfragt und diese wiederum jeweils bei ihren Zulieferern, summiert sich das schnell auf die Daten von zigtausend Unternehmen.
Digitalisierung für mehr Nachhaltigkeit
Zur Bewältigung dieser großen Datenmengen kommt dann die Digitalisierung ins Spiel. Dr. Martin Schulz zeigte in seinem Vortrag anhand des Schwerindustrie-Unternehmens IHI auf, wie das konkret aussehen kann. IHI besaß bereits vor dem Projektstart ein digitales Dashboard in seiner Zentrale, das unter anderem darstellte, wie viel Energie gerade an welcher Stelle verbraucht wurde und welche Emissionen wo entstanden. Diese Informationen standen jedoch nur für IHI selbst und seine Tochterunternehmen zur Verfügung. Wie konnten nun die entsprechenden Daten aller an der Lieferkette beteiligten Unternehmen integriert werden?
In Zusammenarbeit mit Fujitsu nutzte IHI für diese Aufgabe eine mittlerweile bewährte Technologie: die Blockchain. Die wohl bekannteste Anwendung der Blockchain ist die Kryptowährung Bitcoin – und auch der Grund für die aktuell eher fragwürdige Reputation der Technologie, unter anderem im Bereich Nachhaltigkeit. So ist schon die Herstellung von Bitcoins extrem energieaufwändig und daher nicht ressourcenschonend. Doch die Nutzung von Blockchains in der Industrie unterscheidet sich deutlich von der im Kontext der Kryptowährung.
Blockchains im industriellen Umfeld
Im industriellen Umfeld ist nicht nur der Energieverbrauch von Blockchains fast vernachlässigbar gering. Es wird vor allem auf die Eigenschaften von Blockchains als sichere, dezentrale Datenbanken aufgebaut. Mit ihnen können mit fast beliebig vielen Teilnehmer*innen Informationen ausgetauscht, Zugangsrechte flexibel gewährt und entzogen, und alle Transaktionen automatisch dokumentiert werden. Dazu reicht es, die Blockchain in jedem beteiligten Unternehmen auf einem Rechner zu installieren – schon stehen alle wichtigen Informationen in Echtzeit zur Verfügung. In weiteren Schritten können neben dem Austausch von Informationen zukünftig auch Zertifikate vergeben und gehandelt werden.
Die aktuell wohl größte Herausforderung bei der Nutzung von Blockchains: Es gibt eine Vielzahl einzelner Projekte, die noch unabhängig voneinander und nicht vernetzt sind. In der lokalen Anwendung, wie im Projekt mit der IHI, lösen wir das Problem durch eine Connection Chain, die verschiedene Projekte miteinander verbindet. Diese ist allerdings noch nicht flächendeckend einsetzbar.
Blockchain für Banken und Versicherungen
Um den Bogen zurück zur Rolle von Blockchains für Versicherungen zu spannen, stellte Dr. Martin Schulz ein weiteres Beispiel vor. Dabei handele es sich um eines seiner „Lieblingsprojekte in Japan“, wie er betonte: Die Blockchain-Bankenwährung DCJPY. Um diese zu erschaffen, hat sich ein Konsortium der 80 größten Unternehmen, Finanzdienstleister, Versicherungen und Banken zusammengefunden.
Die Grundidee ist simpel: Die Banken richten (zunächst) ihren Firmenkund*innen ein Zusatzkonto ein, das Blockchain-Tokens zur Verfügung stellt. Die Kund*innen können hier durch Überweisungen nach Belieben neue Token schaffen oder Yen zurücktauschen. Sie können diese dann als eine Art digitales Bargeld in ihre firmeneigenen „Wallets“ übertragen und ohne weitere Bankbewegungen oder zusätzliche Rechnungslegung Rechnungen bezahlen. Vor allem können sie diese aber auch zur direkten, automatischen Zahlungsabwicklung (Robo-Payments) in ihren Lieferketten oder zwischen Maschinen an völlig unterschiedlichen (Kunden)standorten verwenden. Alle Transaktionen wären auf Maschinenebene abgesichert („Zero Trust“), können ohne externe Zahlungsdienstleistungen abgewickelt werden und haben die Buchhaltung bereits auf Blockchainebene integriert.
Bei einem Einsatz im Versicherungsbereich sind zum Beispiel automatische Kontrakte möglich, die im Schadensfall sofort Zahlungen und Reaktionen auslösen. Durch die Verwendung der Blockchain-Tokens erfolgen die Zahlungen direkt zwischen den beiden beteiligten Parteien, ohne einen Umweg über weitere Dienstleister. Dies erlaubt Effizienzgewinne und Senkungen von Transaktionskosten. Im Versicherungsbereich ist das direkte Einsparungspotential jedoch nur vergleichsweise gering. Versicherungen gewinnen vor allem durch die Digitalisierung der Prozesse bei ihren Kund*innen. Denn durch den bei Blockchain unproblematischen und flexiblen Zugriff auf Daten in verschiedensten Transaktionen können Versicherungen deutlich früher bei der Analyse, Vermeidung und Abwicklung von Risiken eingebunden werden. Sie haben somit die Chance, bei der Entwicklung neuer Werteketten mitzuarbeiten, sie besser abzusichern und durch die Automatisierung zudem erheblich Kosten zu sparen.
Fazit
Die aktuellen Entwicklungen versprechen eine spannende Zukunft – nicht nur, aber auch in der Finanzbranche. Der Zeitpunkt für wirkliche Innovationen ist derzeit günstig wie selten zuvor. So gab es zum Beispiel die Anforderung, Lieferketten zu verfolgen schon eine ganze Weile. Auch die Blockchain-Technologie existiert bereits seit vielen Jahren. Doch erst die großen Fortschritte, die die Digitalisierung in der jüngeren Vergangenheit erzielen konnte, ermöglichen es, diese beiden Elemente zusammen zu bringen.
Zusammen mit neuen Regulierungen, dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und überall abgeschlossenen Green Deals werden im Moment die Rahmenbedingungen so völlig neu definiert. Informationen müssen vernetzt sein, vieles muss in Echtzeit geschehen. Den Grundstein dafür hat die Digitalisierung geschaffen – und sie ermöglicht es auch, die entstehenden Daten zu nutzen: für mehr Nachhaltigkeit und für die Zukunft unserer Erde.
Sie möchten mehr zum Einsatz von Technologien im Versicherungsumfeld erfahren? Dann besuchen Sie doch unsere Webseite zum Thema und lernen Sie eine neue Ära für Versicherer kennen – oder nehmen Sie Kontakt mit uns auf:
Nicole Klotzsch
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Beate Keitel ist Business Partner Marketing bei Fujitsu. In ihrem Arbeitsalltag ist sie immer neugierig, interessante Menschen mit außergewöhnlichen Themen kennenzulernen