Die Gastgeber, Vortragende und Diskussionsteilnehmer des Abends (v.l.n.r): Erich Mayer, Hajime Takata, Wilhelm Petersmann, Ralph Müller, Dr. Joseph Reger, Ewald Nowotny, Dr. Martin Schulz, Wolfgang Waining.
Am 11. November diskutierten im Prunksaal der Wiener Nationalbibliothek Top-Experten aus verschiedenen Bereichen über 20 Jahre Nullzinspolitik in Japan. Ebenfalls stand beim Financial Forum 2019 des Finanz-Marketing Verbands Österreich (FMVÖ) die Frage im Mittelpunkt, was Europa daraus lernen kann. Unter den hochkarätigen Vortragenden waren unter anderem Dr. Martin Schulz, Senior Research Fellow und Senior Economist am Fujitsu Research Institute in Tokyo, und Dr. Joseph Reger, Fujitsu Fellow und Chief Technology Officer Europe bei Fujitsu.
Zwanzig Jahre Nullzins-Politik in Japan
Zu Beginn des Abends begrüßten Erich Mayer, Präsident des FMVÖ, sowie Wilhelm Petersmann, Vice President, Geschäftsführer Fujitsu Schweiz und Österreich, Head of Financial Services Vertical, Central and Eastern Europe, die Teilnehmer der Veranstaltung. Im Anschluss griff Dr. Martin Schulz, der rund drei Jahrzehnte in Tokyo lebte, direkt das Hauptthema des Financial Forum auf.
Die japanische Politik der Nullzinsen feierte im April dieses Jahres ihr zwanzigstes Jubiläum. Sie wurde erforderlich, als nach dem Platzen der Immobilienblase und einem Verfall der Börsenkursen im Jahr 1990 die Wirtschaft über viele Jahre stagnierte. Eine drastische Erhöhung der Geldmenge – nach dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzō Abe benannt als Abenomics – reichte allein nicht, um die Krise und die herrschende Deflation zu überwinden. Zwar wurden die Maßnahmen durch höhere Staatsausgaben flankiert, doch eine nachhaltige Erhöhung der Kaufkraft stellte sich nicht ein, da das zusätzliche Geld in den Banken verblieb.
Japan war damals ein Vorreiter. Heute ist das Phänomen der Nullzinsen und der dadurch erforderliche Wandel der Wirtschaft weltweit zu beobachten. So befindet sich aktuell auch Europa in einer Niedrigzingsphase – deren Ende laut Europäischer Zentralbank frühestens im Jahr 2020 zu erwarten ist.
Was Europa von Japan lernen kann
Die Gewinner und Verlierer dieser Phase lassen sich klar identifizieren, so Dr. Schulz. Privathaushalte erhielten für ihr Erspartes so gut wie keine Zinsen mehr und müssten deshalb beispielsweise sehen, wie sie ihre Altersvorsorge stemmen. Für Banken bedeute der Wegfall von Zinsen einen wesentlichen Einschnitt in ihr Geschäftsmodell – eine Art Geheimgebühr, wie der Senior Economist den Effekt bezeichnete. Profitieren von den Niedrigzinsen können hingegen vor allem verschuldete Staaten, aber auch Unternehmen, die sich sehr viel günstiger finanzieren können.
Die Lage der Weltwirtschaft beurteilte er jedoch deutlich optimistischer, als es die Presse derzeit darstellt. Die Preisentwicklung sei stabil, sowohl in Japan als auch in Österreich. Dies veranschaulichte er am Big-Mac-Index, einer Kennzahl, die die Kaufkraft verschiedener Währungen anhand des Preises für einen Big Mac vergleicht. Der Grund hierfür sei die hohe Effizienz in der Produktion – die Kosten eines Burgers setzen sich derzeit aus 15 Prozent Zutaten, 25 Prozent Arbeit und 60 Prozent Real Estate sowie Service zusammen.
Sein Tipp: In Asien habe man gelernt, mit Niedrigzinsen umzugehen – von diesem Vorbild kann Europa lernen. Die Grundlage dafür sei es, die Wirtschaftswelt akzeptieren, statt mit ihr zu hadern, und ihre Chancen nutzen. Die Nachbarstaaten in Osteuropa böten hierzu hervorragende Möglichkeiten.
Spannende Podiumsdiskussion auf dem Financial Forum
Moderiert von Wolfgang Wainig diskutierte Dr. Martin Schulz seine Thesen anschließend mit Ralph Müller, Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Donau Versicherung, Ewald Nowotny, Gouverneur der Österreichischen Nationalbank im Ruhestand und Präsident der österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, sowie Hajime Takata, Senior Managing Executive Officer und Chief Economist des Mizuho Research Institute in Tokyo. Ralph Müller bewertete dabei das Niedrigzinsumfeld sowohl aus Sicht der Versicherungsbranche als auch persönlich sehr kritisch. Die Umverteilung gehe auch zu Lasten kommender Generationen, die nur schwer Vermögen aufbauen können, so sein Argument. Ewald Novotny relativierte den Wegfall von Sparzinsen, weil auch der größte Geldvernichter Inflation gebremst werde. Negative Realzinsen – nach Gegenrechnung der Geldentwertung – habe es bereits früher gegeben.
Neue Technologien für das Finanzwesen
Im weiteren Verlauf des Abends nahm dann Dr. Joseph Reger die Zuhörer mit auf eine Reise in die spannende technische Zukunft des Finanzsektors mit seinem Vortrag „Biete Lösung, suche Problem“. Blockchain und Machine Learning seien zwar bereits bekannte Innovationen. Doch sie werden bei größerer Akzeptanz noch viel weitreichendere Veränderungen mit sich bringen, so seine These. Interessant werde auch die Entwicklung ethisch-moralischer Aspekte sein, wenn Maschinen aus ihrer eigenen Erfahrung lernen.
Weiterhin sprach er als zweite bahnbrechende Technologie über biometrische Sicherheitsmerkmale und die Handvenentechnologie. Diese sei etwa 100-mal sicherer als der bewährte Fingerabdruck. So würde, auch durch die Kombination mehrerer Merkmale, die Entwicklung eines wirklich sicheren Bezahlsystems möglich. Als dritte wichtige Entwicklung ging er auf Quantencomputer ein, die – wenn sie praktisch realisiert werden – völlig neue Möglichkeiten für Rechenvorgänge mit sich bringen. Dies werde die Finanzwelt maßgeblich verändern.
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Den Abschluss eines Abends mit vielen neuen Anregungen für die Branche bildete ein entspanntes Get-together mit Fingerfood und zahlreichen weiteren Gesprächen zu den zuvor diskutierten Themen. Wir haben für Sie ein paar weitere Impressionen des Financial Forum 2019 in einer kleinen Galerie zusammengestellt. Vielen Dank an das Studio Kerschbaum für die Bereitstellung der in diesem Beitrag verwendeten Bilder.
Beate Keitel ist Business Partner Marketing bei Fujitsu. In ihrem Arbeitsalltag ist sie immer neugierig, interessante Menschen mit außergewöhnlichen Themen kennenzulernen