Ein Beitrag von Anne-Marie Tumescheit und Jens Beier.
Mindestabstand, Hände desinfizieren, Einkaufen mit Termin und immer wieder Homeoffice & Home Schooling: So sieht unser aller Alltag seit mittlerweile einem Jahr aus. Natürlich sind auch mein Kollege Jens Beier und ich davon betroffen. Aber wir wären nicht bei einem IT-Unternehmen beschäftigt, wenn wir nicht laufend überlegen würden, mit welchen Technologien sich das Beste aus der aktuellen Situation herausholen lässt. Vor Kurzem haben wir mal wieder solch ein Gespräch geführt – und möchten Sie an diesen Überlegungen teilhaben lassen.
Alte Wege – neu gedacht
Anne-Marie: Auch wenn es schon etwas her ist – ich denke wirklich gerne an die BITKOM Digital Transformation Week Ende letzten Jahres zurück. Da gab es viele wirklich wertvolle Anregungen.
Jens: Oh ja, was für ein Event! Das war eines meiner Highlights Ende 2020. Und das Thema Sektorkopplung aus der Eröffnungsrede des Staatssekretär BMWi A. Feicht zur Energiekonferenz war eines meiner wichtigsten Takeaways überhaupt. Aus dem Mobility-Bereich kenne ich das Thema ja schon: Ökosysteme, Partnerschaften, Allianzen und so weiter. Aber die große Rolle, die es spielt, noch einmal mit solch einem Plädoyer bestätigt zu bekommen, war motivierend. Ich fühlte mich auch unmittelbar an Dr. Regers beeindruckende Rede auf dem AutomotiveIT Kongress 2020 erinnert, in der er dafür eintrat, die neuesten Technologien wie Quantum Computing und KI jetzt beim Wiederanlauf der Wirtschaft zu nutzen. Anne-Marie, du warst an der Vorbereitung dieser Rede beteiligt, richtig? Gerade das Thema „Sichere Rückkehr an den Arbeitsplatz“ ist ja angesichts der fortdauernden Einschränkungen aktuell wie kaum etwas anderes.
Anne-Marie: Ja, das stimmt. Natürlich wollen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen die Infektionszahlen ebenso schnell wieder in einem Bereich sehen, in dem die Gesundheitsämter die Nachverfolgung gewährleisten können, wie es auch die Politik will. Aber in ihrer Brust schlägt auch ein wirtschaftliches Herz. Das heißt: die Unternehmen müssen auch weiterhin Umsatz erwirtschaften und Leistungen erbringen. Nicht alle Jobs lassen sich ins Homeoffice verlagern. Die Arbeitnehmer*innen sorgen sich ebenfalls nicht nur um ihre Gesundheit und die ihrer Familie. Sie möchten auch gute Arbeit abliefern und zu einer ausgewogenen Work-Life-Balance gelangen. Das sind Punkte, denen nicht jeder im Homeoffice ausreichend Rechnung tragen kann.
In dieser schwierigen und dynamischen Situation, in der Abstand das höchste Gebot ist, können neue Technologien einen wichtigen Beitrag leisten. Wobei nicht alle zwangsläufig neu sein müssen. Vielmehr ist es entscheidend, dass verschiedene Technologien kombiniert und nicht einzeln für sich eingesetzt werden. Denn nur so können Synergien entstehen, die auch eine tatsächliche Unterstützung und Entlastung darstellen.
Homeoffice – (k)eine Dauerlösung?
Nehmen wir als Beispiel die von Dr. Joseph Reger in seiner Keynote zur Fujitsu Activate Now beschriebenen Ansätze. Stellen wir uns daher einen produzierenden Betrieb vor. Er besteht z. B. aus einer Montagehalle, einer Kantine, Umkleideräumen, verschiedenen Zugangskontrollen und einem gewissen Logistik- und Organisationsbereich, der nur bedingt ins Homeoffice verlagert werden kann. Um in diesem Bereich einen effektiven Schutz vor Ansteckungen aufzubauen, müssen mehrere Aspekte betrachtet und zeitgleich angegangen werden.
Da wäre zum einen die Reduzierung von Kontaktflächen. Mitarbeiter*innen sollten möglichst wenig Flächen anfassen müssen, erst Recht, wenn es nicht ihren direkten Arbeitsplatz betrifft. Das umfasst als erstes und vielfach Zugangskontrollen – jede Art von Tür, die beispielsweise angefasst werden muss, um sie zu öffnen bzw. einen Schlüssel oder Chip benötigt. Hier können berührungsfreie Zugangskontrollen wie PalmSecure™ mit automatischen Türöffnungen einen wichtigen Beitrag leisten. Abhängig davon, wie die Arbeitszeiterfassung im Unternehmen gehandhabt wird, kann auch hier eine Kopplung mit PalmSecure™ vorgenommen werden. Damit werden wieder Laufwege und potentielle Kontaktpunkte reduziert.
Ein weiteres Thema ist das korrekte Tragen des Mund-Nasen-Schutzes. Wir wissen mittlerweile von einer Vielzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen, dass es entscheidend ist, die Maske korrekt zu tragen. Nur so kann sie ihren Schutz entfalten und die potenzielle Virusbelastung in der Umgebungsluft verringern. Das ist in Räumlichkeiten, in denen sich Menschen länger aufhalten, umso wichtiger. Hier könnten KI-basierte Bilderkennungsalgorithmen unterstützen. Der Vorteil: diese sind mittlerweile so weit entwickelt, dass sie „on Edge“ implementiert werden können. Mit anderen Worten: die Bilddaten werden direkt an der Kamera ausgewertet und nicht ins Netzwerk des Betriebes oder eine Cloudumgebung eingespeist.
Diese Tatsache kann dann jeder IT-Admin des Betriebs bei Bedarf nachvollziehen und den Kolleg*innen versichern, dass der Schutz der Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist. Es kann dann beispielsweise über einen Alarmton, eine Einblendung auf einem Monitor oder einen Hinweis an die Werksaufsicht eine Ansprache der Person erfolgen, die vielleicht die Maske für den Moment versehentlich nicht korrekt trägt. Das erhöht die Sicherheit für alle Beteiligten deutlich.
Mit derselben Technologie kann auch die Einhaltung des Mindestabstands unterstützt werden. So kann über die Bildauswertung – aber auch über Technologien wie Geofencing – ein Hinweis an die Mitarbeiter*innen erfolgen, wenn sie den Mindestabstand unterschreiten. Außerdem können IT-Services hinzukommen, wie es sie zum Teil schon im Smart Home gibt: zum Beispiel mit dem automatischen Lüften nach festen Zeitfenstern und einer parallelen Abschaltung der Heizung.
Optimierung des Arbeitsplatz durch smarte Technologien
Jens: Stimmt! Das könnte sowohl für die Produktion selbst als auch für Umkleideräume sehr nützlich sein. Diese werden ja oft nur kurz genutzt und daher bei solchen Betrachtungen leicht vergessen.
Anne-Marie: Genau. Ergänzend ist für Umkleideräume eine Art Zählsystem denkbar. Das zeigt dann ähnlich wie bei modernen Parkhäusern, ob der Raum gerade frei ist und wie viele Personen eintreten dürfen. Aber kommen wir zum wirklich spannenden Teil: der Optimierung von Wegen und Sitz- bzw. Arbeitsplätzen.
Bei diesen Problemen muss man aus einer Vielzahl von möglichen Kombinationen eine gute – vielleicht sogar die beste – identifizieren. Und das nicht nur für einzelne Mitarbeiter*innen, sondern für alle Kolleg*innen in einem Bereich zur gleichen Zeit. Da stoßen aktuelle Rechnerkapazitäten schnell an ihre Grenzen. Aber dann können Quanten-inspirierte Technologien wie der Digital Annealer zum Einsatz kommen. Dieser ermöglicht es, in Echtzeit zum Beispiel die optimale Nutzung eines Großraumbüros für eine gegebene Anzahl von Personen und unter Einhaltung aller Hygienemaßnahmen zu berechnen. So kann gewährleistet werden, dass die Menschen, die nicht auf die Arbeit vor Ort verzichten können, den größtmöglichen Abstand zueinander einhalten können.
Eine ähnliche Überlegung kann für die genutzten Wege der Mitarbeiter*innen angestellt werden. Auf welchem Weg zum Ein- und Ausgang, zur Toilette und zum Getränkeautomat hat man einen möglichst großen Abstand zu den Arbeitsplätzen der Kolleg*innen? Ich kann zu diesem Thema die Keynote von Dr. Reger wirklich nur empfehlen.
Jens: Fujitsus Technologie und Service Vision bekommt hier einen sehr greifbaren Hintergrund. Was siehst du als die besonderen Stärken von Fujitsu, die wir für aktuelle Herausforderungen im Bereich Wirtschaft, Mobilität oder auch Umweltschutz nutzen können?
Die Chancen der IT
Anne-Marie: Unser Ursprung als Hersteller von IT-Produkten wird von vielen gerne als Herausforderung wahrgenommen. Aber ich glaube, das ist unsere größte Chance! Anders als viele andere IT-Firmen, die aus einem rein Service-basierten Ansatz kommen, haben wir in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge Know-how über IT-Infrastrukturen aufgebaut und mit unseren Kund*innen vielfältige Erfahrungen sammeln dürfen. Dieses Wissen ist unerlässlich, um IT-Services anbieten und implementieren zu können, die den Kund*innen einen wirklichen Mehrwert bieten und die zugleich flexibel, effizient und effektiv sind. Schauen wir uns das an einem ganz einfachen Beispiel an.
Aktuelle KI-Entwicklungen basieren überwiegend auf maschinellem Lernen. Um aber einen Algorithmus anlernen zu können, wird eine große Zahl an Daten benötigt. Und zwar genau die Daten der Kund*innen, die den Algorithmus einsetzen wollen. Es nützt zum Beispiel einer VW nichts, Algorithmen anzuwenden, die mit Daten von Toyota trainiert worden sind und umgekehrt. Die Unternehmensstrukturen und Anforderungen der Kund*innen und deren End-Kund*innen sind vollkommen andere.
Das heißt: Jedes Unternehmen, das maschinelles Lernen zur Unterstützung seiner Prozesse anwenden möchte, benötigt eine IT-Architektur im Hintergrund. Diese sammelt die Daten, speichert sie, verwaltet sie und stellt sie in angemessener Geschwindigkeit zur Verfügung. Außerdem müssen auch die Ergebnisse der Algorithmen in die passenden Applikationen eingepflegt werden, z.B. in eine bestehende SAP Umgebung. Zusätzlich gibt es immer wieder Zeiten mit Auslastungsspitzen, zum Beispiel weil nach einem großen Unwetter der Kundenservice einer Versicherung überlastet ist. Dafür werden Hybrid-IT bzw. Hybrid-Cloud-Modelle benötigt.
Und wir von Fujitsu kennen diese einzelnen Elemente alle. Wir kennen die IT-Infrastruktur vom Client PC bis zum Server, von der Netzwerkstruktur bis zu 5G und von SAP bis ServiceNow. Mit diesem gebündelten Wissen im Hintergrund arbeiten wir Mensch- und Werte-zentriert an Lösungen für die Herausforderungen unserer Kunden. Das klingt für den einen oder anderen vielleicht nach einem weiteren Marketing-Buzzword. Aber eigentlich heißt das nur, dass wir bei der Betrachtung von Situationen immer den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Das können dann die Versicherungsmakler*innen sein, die Fabrikant*innen, die Logistiker*innen oder auch die Endkund*innen. Jede Lösung muss genau der Person einen Mehrwert bieten, die sie nutzt. Sonst entspricht sie nicht unseren Ansprüchen, die unser Präsident Takahito Tokita auch in der Technologie und Service Vision für alle Mitarbeiter*innen von Fujitsu formuliert hat.
Die Auswertung von Daten und ihr Mehrwert
Jens: Es geht also darum, aus Daten einen Mehrwert zu generieren?
Anne-Marie: Ganz genau. Daten an sich sind erst einmal nur Daten. Bestenfalls liegen sie geordnet und strukturiert auf einer Festplatte bzw. einem Storage-System. Der jahrelange Hype um Big Data war wichtig, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass in Daten ein extremer Mehrwert liegen kann. Aber jetzt ist es an der Zeit, aus diesem Wissen auch Handlungen abzuleiten – sprich, die Daten auszuwerten und die Ergebnisse zu verwenden.
Denn viele Herausforderungen in unserer heutigen Welt – vom Klimaschutz bis zur effizienten Produktion – lassen sich ohne eine sinnvolle Auswertung der zugehörigen Daten nur sehr schwer angehen. Hinzu kommt, dass sich die Umgebung und ihre Parameter ständig verändern. Wir sind also immer wieder auf Nach-Optimierung angewiesen. Ein Thema, bei dem wieder der Quanten-inspirierte Optimierungs-Service durch den Digital Annealer zum Einsatz kommt.
Oder um es kurz zu sagen: Wir benötigen die Daten auf einer modernen IT-Infrastruktur, um effiziente IT-Services auf Basis moderner Technologien implementieren zu können. So schaffen wir einen spürbaren Mehrwert. Wie genau diese IT-Services aber aussehen, welche Prozesse zum Beispiel eine Künstliche Intelligenz auswerten soll, welche Handlungsempfehlungen sie gibt, wie Daten kombiniert werden für neue Lösungen … Das alles sind Entscheidungen, die wir als Gestalter dieser IT-Services, als Menschen, treffen.
Jens: Man sagt ja: Sport und Katzenbilder funktionieren immer im Marketing. Das sind ja auch Elemente des täglichen sozialen Umfelds. Gut, Katzen kann man zu Hause haben. Aber gerade Sport und auch das Zuschauen bei zum Beispiel Fußballspielen fehlt den Menschen schon sehr, mich eingeschlossen. Ich weiß, unser Incubation Office hat da Ideen, wenn es um Technologie-Kopplung und Integration geht. Aber erzähl bitte selbst. Ich freu mich riesig darauf, denn ich würde selbst gern mal wieder ins Stadion. Nur eben sicher.
Neue Chancen durch Technologie-Kopplung
Anne-Marie: Ja gerne. Ich glaube, das Thema Technologie-Kopplung und die Integration von ganzheitlichen Lösungen haben wir schon sehr gut dargestellt. Viele der Überlegungen, die sich auf ein produzierendes Unternehmen beziehen, lassen sich natürlich auch in einem Stadion oder einer Arena abbilden. Aber gerade die Optimierung der Sitzplätze bietet hier besonders Potenzial – einfach, weil ein Stadion davon so viele hat.
Jens – nehmen wir an, du möchtest mit deiner Familie zum Fußball gehen. Ihr seid zu viert. Und eine zweite Familie mit drei Personen möchte das auch. Wie viele Möglichkeiten habt ihr, euch in einem gemeinsamen Stadionblock so hinzusetzen, dass ihr jeweils als Gruppe zusammensitzt, aber der Abstand zwischen beiden Familien immer mindestens 1,5 m beträgt? Extrem viele – von einer Reihe Platz zwischen euch bis hin zu der Möglichkeit, an verschiedenen Enden des Blocks zu sitzen. Jetzt machen wir die Überlegung noch komplexer: neben den beiden Familien haben wir noch ein Pärchen und eine Einzelperson, die ebenfalls in diesem Block sitzen sollen.
Alleine schon bei vier Gruppen sind die Möglichkeiten der Platzierung extrem groß. Nun kann ich als Veranstalter aber nicht nur vier Gruppen in einem Block platzieren. Denn neben dem Wunsch, die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten, muss die Veranstaltung natürlich wirtschaftlich durchführbar sein. Wie also kann ich möglichst viele Zuschauer*innen in unterschiedlichen Gruppengrößen sicher in einem Block platzieren? Das ist die spannende und zugleich sehr komplexe Frage, die wir mit Hilfe des Digital Annealers beantworten können. Erste Vergleichsrechnungen mit starren Sitzplatzkonzepten aus dem Sommer 2020 zeigen, dass wir 30 % – 50 % mehr Zuschauende platzieren können und dennoch alle Hygieneregeln beachtet werden. Das ist natürlich eine sehr gute Nachricht für die Fans. Es können nicht nur mehr Fans wieder an Events teilnehmen, sondern eben auch ganze Familien zusammensitzen.
Verbinden wir diese Idee jetzt mit der Maskenerkennung, kontaktfreien Ticketkontrollen und Bezahlsystemen, wird das gesundheitliche Risiko schon sehr minimiert. Übrigens nicht nur in Zeiten von Corona. Einige Maßnahmen zeigen sicher auch in der jährlichen Grippe-Saison ihre Wirkung.
Vielen Dank!
Jens: Danke dir, Anne-Marie. Das war zum Schluss ein echtes Highlight! Ich finde das total spannend: die digitale Transformation ist hier in Deutschland bei Weitem nicht noch abgeschlossen. Und gleichzeitig ist die nächste fundamentale Technologie-Revolution schon in realen Industrieeinsätzen verfügbar: Quantum Computing.
Anne-Marie: Vielen Dank Jens. Es ist wirklich sehr interessant und spannend, die Entwicklung zu verfolgen und selbst mitzugestalten. Und neben den aktuellen Einsätzen gemeinsam mit Firmen wie der Deutschen Bahn oder PolarisQB steht auch die nächste Generation des Digital Annealers und damit der Quanten-inspirierten Services bereits vor der Tür! Wer sich gerne einmal selbst ausprobieren möchte, kann das übrigens gerne in unseren Tutorials tun.
Anne-Marie Tumescheit widmet sich in ihrer Rolle als Emerging Technology Consultant der Vermittlung der „Neuen Technologien“. Konkret umfasst das die Beratung und die Kommunikation zu Themen von Künstlicher Intelligenz über Blockchain bis zu Quantentechnologien. Im Mittelpunkt stehen dabei die Möglichkeiten und Chancen, aber auch Risiken und Herausforderungen in der Umsetzung. Im Bereich Quantencomputing dreht es sich für Anne-Marie vor allem um den unternehmerisch tatsächlich nutzbaren State-of-the-Art.