Am 15. November 2021 wurde Fugaku, gemeinsam vom japanischen Forschungszentrum RIKEN und Fujitsu entwickelt, zum vierten Mal hintereinander die Nummer 1 der TOP500-Liste der weltschnellsten Supercomputer. Noch wichtiger und beeindruckender ist die praxisnahe Nutzung dieses Supercomputers.
Bereits in der Designphase legten RIKEN und Fujitsu fest, dass Fugaku für viele reale Anwendungsfälle eine deutliche Beschleunigung erbringen soll. Außerdem lag der Fokus auf einer breiten Nutzbarkeit („Application First“).
Ausgezeichnete Leistung
Der Erfolg dieser Strategie zeigte sich kürzlich, als der renommierte ACM Gordon Bell Preis für die Spezial-Kategorie „High Performance Computing-Based COVID-19 Research“ an ein Team vom RIKEN Center for Computational Science und der Kobe University verliehen wurde. Satoshi Matsuoka und Makoto Tsubokura nahmen den Preis im Rahmen der internationalen Konferenz SC21 für die Arbeit „Digital Transformation of droplet/aerosol infection risk assessment realized on Fugaku for the fight against COVID-19“ entgegen.
Simulation von Tröpfchen und Aerosolen
Bereits im April 2020 – noch vor der kompletten Fertigstellung von Fugaku – stellten RIKEN und Fujitsu erste Partitionen dieses Supercomputers Wissenschaftler*innen zur Verfügung. Das Team von Prof. Makoto Tsubokura entwickelte eine Anwendung zur Simulation von Strömungen, die nun für die Bekämpfung der COVID-19 Pandemie eingesetzt wurde. Die Simulation berechnet, wie sich infektiöse Tröpfchen und Aerosole in der Luft verbreiten. Dafür werden Schutzmasken und Schutzschilde aus unterschiedlichen Materialien geprüft und deren Wirkung gegen die Verbreitung von Tröpfchen und Aerosolen mit Hilfe der Simulations-Berechnung bewertet. Hieraus wird ermittelt, wie groß das Risiko einer COVID-19 Infektion in unterschiedlichen Situationen ist. Fugaku konnte die Simulationen in der notwendigen hohen Auflösung skalieren und erreichte eine sehr schnelle Lösungszeit.
Im Rahmen unserer Born to transform Podcast-Reihe konnten wir in Episode 4 mit Prof. Tsubokura ausführlich über den Prozess sprechen. Er gab uns Einblicke in die Herausforderungen und die aus den Simulationen gewonnenen Erkenntnisse.
Mit Fugaku zur Entscheidung
Dank der hohen Rechenleistung von Fugaku konnten die Wissenschaftler*innen mit den Simulationen das Infektionsrisiko durch Aerosole für eine große Zahl an Szenarien auswerten. Innerhalb von etwa 1,5 Jahren wurden über 1000 Szenarien simuliert, wofür eine Rechenzeit von etwa 17,5 Millionen Fugaku-Rechenknoten-Stunden verbraucht wurde. So untersuchten die Wissenschaftler*innen beispielsweise das Ansteckungsrisiko in Räumen wie Büros, Klassenzimmern, Konzerthallen, Musikclubs und Restaurants. Analog wurden auch die Aerosol-Ausbreitung sowie die Risiken in öffentlichen Verkehrsmitteln wie Zügen, Taxis, Bussen und Flugzeugen analysiert und visualisiert. Auf Basis der Ergebnisse wurden konkrete Gegenmaßnahmen evaluiert und vorgeschlagen, die das Infektionsrisiko senken.
Während des gesamten Projekts arbeitete RIKEN eng mit Partnern aus der Industrie sowie mit den Regierungsbehörden zusammen. Die gewonnenen Erkenntnisse halfen bei der Entscheidungsfindung für geeignete Maßnahmen und Verpflichtungen wie das Tragen von Gesichtsmasken und Kontaktreduzierungen. Außerdem waren sie die Grundlage bei Entscheidungen, wann und ob öffentliche Einrichtungen und Geschäfte geschlossen beziehungsweise wieder geöffnet werden sollten.
Ausblick auf weitere Arbeiten
Bisher werten die Simulationen aus, wie sich die Tröpfchen und Aerosole von infizierten Personen über die Luft auf andere Menschen übertragen. Im nächsten Schritt geht es darum, zu verstehen, wie eingeatmete Tröpfchen und Aerosole innerhalb des menschlichen Körpers zu einer Infektion führen.
Hierfür wird derzeit ein kombiniertes Simulations-System einer Virus-Infektion entwickelt. Die aktuelle Simulation der Luftübertragung soll mit einer biologischen Simulation kombiniert werden, bei der die Atemwege des Menschen nachgebildet und die Reaktion der Immunzellen gegen die Virus-Invasion reproduziert wird.
Fazit
Die preisgekrönte Anwendung von RIKEN demonstriert eindrucksvoll, wie ein leistungsstarker Supercomputer wertvolle Erkenntnisse für die Bewältigung von gesellschaftlichen Herausforderungen liefert. Weitere Informationen zu Fugaku und den Supercomputern von Fujitsu finden Sie in diesem Blog-Beitrag sowie auf unserer Webseite.
Über eine weitere Anwendung, in der es um die Vorhersage von Tsunamis geht, planen wir noch einen separaten Artikel.
Eric Schnepf studierte Mathematik an der Universität Karlsruhe. In der Forschungsgruppe für numerische Strömungsmechanik entwickelte er Software auf Vektorrechnern. Seit 1985 war er in verschiedenen Funktionen im HPC-Business für Siemens, Siemens Nixdorf und Fujitsu Siemens Computers tätig. Eric Schnepf ist Fujitsu Distinguished Engineer und als Lead Solution Architect bei Fujitsu Technology Solutions in München tätig. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit IT-Infrastruktur-Lösungen für innovative, rechenintensive Anwendungsgebiete wie technisch-wissenschaftliche Simulationen und Deep Learning für KI.