Stellen Sie sich eine traditionelle Fabrik vor. Es ist wahrscheinlich ein riesiges Gebäude, versteckt in einer ruhigen Ecke eines Industriegebietes. Diese Fabrik ist jedoch oftmals vom Rest des Unternehmens isoliert, nicht nur geographisch, sondern auch hinsichtlich ihrer Betriebsabläufe. In jüngerer Zeit kommt eine Isolation der Betriebstechnik und des IT-Netzwerkes dazu.
Mittlerweile stellen immer mehr Unternehmen dieses Modell in Frage. In einem unsicheren Wirtschaftsklima müssen sowohl die Effizienz als auch der Durchsatz einer Produktionsstätte hoch sein. Zudem sind die Verbraucher mehr denn je an der Herkunft und der Nachhaltigkeit ihrer Einkäufe interessiert. Auch die Verknüpfung von Produkten und Dienstleistungen wird immer präsenter und eine mögliche neue Einnahmequelle. Das alles ist nicht möglich, wenn die Fabrik isoliert vom Rest des Unternehmens bleibt.
In einer kürzlich von uns durchgeführten Umfrage zeigen sich die Gründe deutlich. 58 % der Hersteller haben angesichts des derzeitigen wirtschaftlichen Drucks die Kosten als größtes Hindernis für Initiativen für intelligente Fabriken genannt. Zudem haben 56 % der bisher durchgeführten Projekte noch keine Rendite erzeugt – was weitere Projekte erschweren könnte.
In diesem Beitrag möchten wir Ihnen heute drei Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie mit Hilfe neuer Technologien sinnvollen Nutzen aus einer intelligenten Fabrik ziehen können.
1. Integrieren, nicht isolieren – für den Kunden
Eine intelligente Fabrik bietet die Möglichkeit völlig neuer Dienstleistungen für Ihre Kunden. In unserer Umfrage war das auch für 62 % der Hauptgrund für die Digitalisierung einer Fabrik. Generell gibt es einen wachsenden Trend zur Personalisierung, da sich immer mehr Kunden denjenigen Herstellern zuwenden, die Artikel so liefern können, wie sie es wünschen. Der Schlüssel hin zur Losgröße 1 sind die Konnektivität und Effizienz einer Fabrik. Rund die Hälfte aller Hersteller (47 %) verfolgt bereits Projekte für intelligente Fabriken, um eine effizientere Anpassung ihrer Produkte an die Kundenwünsche zu ermöglichen.
Wie Konnektivität dazu beitragen kann, ein Alleinstellungsmerkmal eines Produktes lebendig werden zu lassen, zeigt Jim Beam. Hier wird jedes Fass Whisky über mehrere Jahre hinweg sorgfältig gereift. Mit Hilfe des Internet of Things verfolgt das Unternehmen nicht nur die Produktion jedes einzelnen Fasses. Vielmehr macht es diese Geschichte auch für seine Verbraucher lebendig. Im B2B-Bereich liegt der Wettbewerbsvorteil eines Herstellers oft im Service-Aspekt. So können der Kundendienst, der Außendienst oder sogar die Art der Lieferung von Waren für einen Kauf entscheidend sein. Oft gibt auch der weiterführende Service nach dem Kauf den Ausschlag.
In beiden Fällen ist die Konnektivität zwischen dem Werk und der Zentrale entscheidend. Die Kunden benötigen möglicherweise detaillierte Informationen über Verfügbarkeit und Logistik, um ihre Kaufentscheidung zu treffen. Das Werk hingegen muss in der Lage sein, hochgradig spezifische Bestellungen zu liefern. Richtig umgesetzt bieten intelligente Fabriken hervorragende Möglichkeiten, die Beziehungen zwischen Herstellern und ihren Kunden weiterzuentwickeln.
2. Die Effizienz der Fabrik steigern
Es gibt wohl keinen Hersteller, der bisher nicht versucht hat, seine Effizienz zu steigern. Auch in unserer Umfrage zeigt sich das deutlich: Mit guten 50 % ist die Verbesserung der Produktqualität eines der häufigsten internen Ziele für die Digitalisierung einer Fabrik, gefolgt von der Verbesserung der Anlagennutzung (47 %).
In der hochtechnischen Fertigung werden die notwendigen Kontrollen oft von den menschlichen Mitarbeitern durchgeführt. Das ist zeitaufwendig, teuer und gelegentlich auch fehleranfällig. Besonders bei Produkten wie Windkraftanlagen, bei denen selbst die kleinsten Abweichungen katastrophale Folgen haben können, ist diese Herangehensweise bedenklich. Dabei ist es möglich, diese Prozesse zur Qualitätskontrolle mit bildgebenden Verfahren und dem Einsatz maschinellen Lernens zu automatisieren. Zum Beispiel kann ein Algorithmus Röntgenbilder auswerten, Anomalien erkennen und Zeit sparen. Bei Siemens Gamesa hat dieser Ansatz dazu geführt, dass die Scanzeiten um 60 % reduziert wurden.
Neue Technologien können auch die Produktivität deutlich steigern. Bisher hatten Computer Mühe, die Art von kombinatorischen Optimierungsproblemen zu bewältigen, die in der Fertigung üblich sind. So stellten Berechnungen der effizientesten Routen für Roboterpaare, die beim Lackieren eines Autos oder beim Schweißen eingesetzt werden, eine große Herausforderung dar. Mittlerweile sind jedoch Computersysteme verfügbar, die Antworten auf Fragen wie diese in Echtzeit liefern und so den Durchsatz von Robotersystemen maximieren können. In einer unserer eigenen Fabriken konnten wir dadurch die Fahrtstrecke für die Teileaufnahme um bis zu 45 % reduzieren.
3. Nachvollziehbar und nachhaltig sein
Für die meisten Unternehmen ist es heute eine wichtige Aufgabe, als verantwortungsbewusstes Unternehmen wahrgenommen zu werden. Die Verbraucher sind mehr denn je darauf bedacht, die Herkunft von Produkten zu kennen und zahlen möglicherweise sogar mehr für solche aus nachhaltigen Quellen – auch im hart umkämpften Lebensmittelbereich. Die Rückverfolgbarkeit von Produkten kann ebenfalls wichtig sein, um gesetzliche Anforderungen zu erfüllen.
In diesem Bereich entwickelt sich Blockchain zu einem leistungsfähigen Instrument, um den Weg der Produkte von den Rohstoffen bis zum Endprodukt zurückzuverfolgen. Dadurch, dass die Blockchain unveränderlich ist, können die gespeicherten Informationen an keinem Punkt der Lieferkette manipuliert werden. Im Fall von Lebensmitteln kann der Kunde so den Weg seiner Mahlzeiten vom Bauernhof bis auf den Teller nachverfolgen. Er kann jederzeit prüfen, ob Produkte wie Fleisch, Soja und Mandeln ethisch und nachhaltig erzeugt wurden.
Der Business Case ist entscheidend
Auch wenn den meisten Unternehmen klar sein wird, welche langfristigen Vorteile intelligente Fabriken bieten, stehen viele unter dem Druck, eine schnelle Rendite zu erzielen. Daher ist es entscheidend, den Business Case von Anfang an deutlich zu formulieren und die für das Unternehmen tatsächlich wichtigsten – und wertvollsten – Anwendungsfälle zu identifizieren.
Für einige Fertigungsunternehmen könnte das die Pilotierung einer intelligenten Lösung sein, die nach dieser Phase in größerem Umfang skaliert und an weiteren Standorten eingesetzt werden kann. Bei anderen hingegen stehen kleine zusätzliche Investitionen im Vordergrund, um die bereits vorhandenen Systeme optimal zu nutzen. Zum Beispiel könnten so OT- und IT-Systeme sowie Datensätze, die bisher nicht verbunden sind, auf Software-Ebene besser integriert werden und zu einer erheblichen Effizienz- oder Qualitätssteigerungen der Produkte führen.
In jedem Fall ist eine sorgfältige Planung der Schlüssel. Die Einbeziehung externer Fachleute, die nicht nur das Potenzial neuer Technologien, sondern auch die Fertigungsindustrie selbst verstehen, kann den entscheidenden Unterschied machen.
Intelligente Fabriken Wirklichkeit werden lassen
Die Schaffung einer intelligenten Fabrik ist keine leichte Aufgabe. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann es verlockend sein, Investitionen zu verzögern, um die Kosten neuer Technologien aufzuschieben – und die möglichen Komplikationen bei der Einführung neuer Lösungen zu vermeiden. Doch die Entwicklung intelligenter Fabriken erlaubt eine enorme Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Herstellers: von einer effizienteren Produktion bis hin zur Erfüllung der steigenden Erwartungen der Kunden auf der ganzen Welt.
Die Zeit für intelligente Fabriken ist gekommen – und wird der Schlüssel zum Erfolg sein. Lesen Sie unseren vollständigen Bericht über die Herausforderungen und Chancen der intelligenten Fabrik: The Challenges and Opportunities of the Smart Factory