Bereits im Mittelalter galt ein möglichst blasser Teint als edel und als Zeichen eines hohen Standes. Blasse Frauen mussten keiner körperlichen Arbeit nachgehen und hielten sich nicht viel im Freien auf. Heute hat sich dieses Schönheitsideal umgedreht. Wenn in Deutschland der Sommer kommt, bräunen wir uns, wo immer es geht. Japanische Frauen hingegen meiden die Sonne, in Japan gilt bis heute ein blasses Gesicht als glamourös und schick. Schicke Blässe beruht in Ostasien jedoch nicht auf den Traditionen des Mittelalters, sondern auf den Blütezeiten der japanischen Geishas. Wie Susann den Sommer erlebt, erzählt uns unsere Kollegin in diesem Beitrag. Außerdem verrät sie uns, warum die heiße Jahreszeit in Ostasien einem Ausnahmezustand im Büro gleichkommt.

Sommer – für uns heißt das See, Sonne, Sonnenbrand, lange Grillabende und Urlaub. Für „Business Men“ in Tokio bedeutet Sommer eine gelockerte Kleiderordnung und „Cool Biz“, denn das ganze Jahr über gilt in der japanischen Bürowelt eine einheitliche Regel. „Arbeitskleidung“ besteht aus einer Anzugshose und einem weißem Hemd. Ab dem 1. Juni dürfen Angestellte ihren Schlips und ihre langen Hemden jedoch zu Hause im Schrank hängen lassen. Mit „Cool Biz“ startet in Japan offiziell der Sommer und das japanische Klima lässt sich mit dem Deutschen nicht vergleichen. Vor allem damit hatte unsere Kollegin Susann in Tokio zunächst einmal zu kämpfen:

In vielen Geschäften und Büros hängen Schilder aus, die „Cool Biz“ ausrufen. Neben der Kleiderordnung bedeutet das, es wird draußen nun richtig heiß und feucht. Nach einem traumhaften Frühling, der schon im März beginnt und wo zwischendurch die Kirschen blühen…Nun gut, auf jeden Fall fängt der Sommer Mitte Juni mit der Regenzeit an und es wird heißer und heißer. Die Luftfeuchtigkeit ist unangenehm. Ende Juli und August ist es dann bei durchschnittlich 33 Grad und gefühlten hundert Prozent Luftfeuchtigkeit kaum noch draußen auszuhalten.

Eine Jeans gilt in der japanischen Business-Welt als Tabu

Klimaanlagen haben jetzt in Japan Hochkonjunktur und um die Umwelt nicht zu sehr zu belasten, startet pünktlich zum Sommer „Cool Biz“. Die Temperaturen in den Büros dürfen demnach nicht unter 26 Grad fallen und „Cool Biz“ setzt der künstlichen Kälte eine Grenze. An heißen Tagen dürfen die Mitarbeiter aufgrund dieser Regel entgegen der üblichen Kleiderordnung auch in kurzen Hemden arbeiten. Sogar Poloshirts gelten als offiziell erlaubt.

Das wurde mir gesagt, Poloshirts habe ich jedoch noch nicht gesehen. Sicherlich will sich keiner „die Blöße“ geben – es sind ja alle stolz auf ihren Job im Büro! Jeder, ja wirklich jeder Mitarbeiter trägt das gesamte Jahr über Anzugshose und Hemd. Im Vergleich zu Deutschland, wo je nach Tätigkeit auch mal eine Jeans ok ist genau wie kurze Hemden oder gar T-Shirts, sieht hier jeder von Montag bis Freitag gleich aus. Vom jüngsten bis zum ältesten Mitarbeiter, vom Internen bis zum Vertriebsmitarbeiter.

„Was dem einen nicht passt, gefällt dem anderen um so mehr“

Eben nicht aus der Masse herauszustechen, gehört in Japan anders als in Deutschland zur Kultur. Wer die Erwartungen erfüllt und sich korrekt verhält, trägt wie jeder andere ein „weißes Hemd“. „Bunte Hemden“ hingegen bleiben den Individualisten vorbehalten, die sich nicht an die Norm halten. Damit spielt die Weisheit „Kleider machen Leute“ in Ostasien eine nicht unerhebliche Rolle. Susann trägt ihr „buntes Hemd“ mit Stolz. Individualität gilt in Deutschland als ausdrücklich erwünscht und avanciert beinahe zum gesellschaftlichen Statussymbol. In Japan hingegen sieht man das anders:

Dies ist einer der größten Unterschiede in den Kulturen, hier in Japan will man eher nicht aus der Masse herausstechen. Was über einen gedacht oder geredet wird, ist sehr wichtig. Jeder der sich mit Japan auseinandersetzt, muss sich darüber im Klaren sein. Jedoch sollte man dabei nicht vergessen, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt. Was dem einen nicht passt, gefällt dem anderen um so mehr.

Weißes Make-Up betonte das Gesicht der Geisha im Kerzenschein

susann_reisetagebuch_japan_beach_sommerEinen weiteren wesentlichen Unterschied zwischen den Ländern stellt Susann im äußerlichen Erscheinungsbild der Frauen fest. Gerade im Sommer suchen wir die Sonne und scheint sie einmal nicht, gehen wir in das Solarium. Bräune gilt hier als schick und gesund, in Japan dagegen herrscht eine vornehme Blässe vor. Mit dem Mittelalter hat dieses Ideal allerdings nichts zu tun, blasse Haut geht auf die langjährige Tradition der Geishas zurück. Ein hohes Ansehen genießen die „Personen der Künste“ bis heute. Ihre Ausbildung begann in der Blütezeit der Geishas im 18. und 19. Jahrhundert traditionell mit sechs Jahren, sechs Monaten und sechs Tagen.

Heutzutage startet die „Lehre“ mit 16 Jahren und der Ruf der Geishas hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Heute gilt sie als Bewahrerin der traditionellen Künste und ihre Dienste als exklusiv und teuer. Ihr weiß geschminktes Gesicht geht auf eine Zeit zurück, in der es nur Kerzenlicht gab. Mit ihrem weißen Teint betonte die Geisha ihr Gesicht bei Kerzenschein. Der blasse Trend hat sich in der japanischen Kultur gehalten, echte Geishas hingegen gibt es in Japan immer weniger. Dennoch helfen japanische Frauen ihrer Blässe auf die Sprünge und meiden Sonnenstrahlen, wo immer es geht. Susann:

Wo unsereins die Sonne sucht, um möglichst schnell braun zu werden, wird hier jeder Sonnenstrahl gemieden. Um ihre Blässe nicht zu verlieren, gibt es für die japanischen Frauen die verschiedensten Hilfsmittel mit UV-Schutz. Das reicht von Schirmen bis zu Handschuhen. Auch Kleidungsstücke sind UV geschützt genauso wie das Make-Up. Vor allem das Make-Up unterstützt zum Teil das Erblassen der Haut.

In ein paar Wochen geht es zurück nach Deutschland – wir freuen uns auf ein spannendes Resümee

Entgegen dem japanischen Trend sucht sich Susann gern ein sonniges Plätzchen im sommerlichen Tokio. Während an einem wunderschönen Sommertag am Strand oder auf der Wiese in Deutschland dichtes Gedränge von Männern und Frauen herrscht, bleiben diese Plätze in Japan den Männern vorbehalten. Unsere Kollegin freut sich hingegen über mehr Platz.

Bereits in ein paar Wochen geht es für Susann zurück nach Deutschland. Wir haben sie ein Jahr lang bei ihrem „Abenteuer Tokio“ begleitet und möchten uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für die tollen und zahlreichen Eindrücke bedanken. Was ihr besonders gut gefallen hat und welche Erlebnisse sie in besonderer Erinnerung behält, verrät sie uns in ihrem nächsten Beitrag. Wir freuen uns bereits jetzt auf ein spannendes Resümee einer Zeit, die Susann garantiert nicht vergessen wird.

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