Rupert Lehner, Senior Vice President Sales Germany bei Fujitsu Technology Solutions
Eigentlich sollen neue Technologien alles einfacher und besser machen. Doch nicht immer funktioniert das wie gewünscht. Das gilt auch für die Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT). Ursprünglich sollte sie dem Menschen zu Hause und bei der Arbeit neue Freiräume schaffen und bescherte ihm E-Mail und das Instant Messaging, seit kurzem auch Social Media, Unified Communications und Video Collaboration. Die Vorteile liegen dabei auf der Hand – jederzeit können wir von jedem Ort und Endgerät aus mit Kollegen, Kunden, Freunden oder der Familie kommunizieren. Wer mal eben schnell eine E-Mail „herausjagt“ oder eine Nachricht auf einer Collaboration-Plattform wie Microsoft Lync postet, spart Zeit und ist produktiver als seine Kollegen aus der altvorderen Fax- und Briefpost-Ära. Doch mittlerweile haben sich auch diese Kommunikations-Tools für die jüngeren unter uns bereits überholt. Sie schwören auf Facebook, Google+ und Twitter für die berufliche und private Nutzung.
Information Overload – die Kehrseite der Medaille
Doch die Klagen über unerwünschte Nebenwirkungen des „Always-on“-Zeitalters häufen sich: mehr Stress durch die ständige Erreichbarkeit, die Flut an Informationen und der Druck, auf eingehende Nachrichten sofort antworten zu müssen; weniger Zeit für wichtige Aufgaben, weil der Mitarbeiter einen beträchtlichen Teil seines Arbeitstages mit dem Lesen und Sortieren von E-Mails, Sofortnachrichten und Postings verbringt. Besserung ist nicht in Sicht. Laut einer Untersuchung von Varonis, einem Anbieter von Data-Management-Lösungen, erhält die Mehrzahl der Beschäftigten (45 Prozent) heute im Schnitt 50 bis 100 E-Mails pro Tag. Bei rund 24 Prozent sind es sogar bis zu 500 Nachrichten.
Radikale Lösungen wie das beherzte Drücken der „Entf“-Taste helfen da nicht weiter. Viele Mitarbeiter verfahren notgedrungen weiterhin nach der Aschenputtel-Methode: Die „guten“ Mitteilungen werden mühselig in diverse Ordner sortiert, die „schlechten“ wandern in den Papierkorb.
Hier stellt sich eine neue Aufgabe für die IT, deren Lösung dem Nutzer das Leben wirklich leichter machen könnte. Nicht nur, dass Nachrichten und andere Informationen für den Nutzer vorsortiert werden und sich damit der „Information Overload“ drastisch reduziert. So müsste das Messaging-System den Inhalt von Mitteilungen beziehungsweise E-Mails auf bestimmte Stichwörter untersuchen und anschließend selbstständig für jede Nachricht eine Prioritätsstufe vergeben oder über deren Relevanz für den Adressaten entscheiden.
Intelligente IT ist bereits da …
Das kann nicht funktionieren? Doch, wie Ansätze in anderen Branchen beweisen. Beim Online-Einkauf haben wir uns längst daran gewöhnt, dass das Shopping-System unser Einkaufsverhalten analysiert und uns auf Basis dieser Informationen entsprechende Vorschläge macht. Dasselbe bahnt sich im klassischen Einzelhandel an: Das Einkaufserlebnis wird „personalisiert“. In Lebensmittelgeschäften laufen bereits Versuche mit Wireless LANs, über die der Einzelhändler dem Kunden über dessen Smartphone maßgeschneiderte Angebote unterbreitet oder auf Rabattaktionen hinweist.
Auch Intelligente TV-Systeme mit Internet-Anbindung oder Online-Musik-Services werden uns künftig Vorschläge machen, welche Titel, Sendungen oder Filme zur Verfügung stehen, die nach unserem Geschmack sind. IT-Systeme hinter den Kulissen werten dabei aus, welche Angebote der Nutzer bevorzugt und stellen eine entsprechende Auswahl zusammen.
Selbst das Lieblingskind der Deutschen, das Auto, wird schlauer und kommuniziert mit anderen Fahrzeugen oder Leitsystemen, nutzt also Cloud-Computing-Ressourcen. Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt beispielsweise SPATIOWL, ein ortsbezogener Datendienst von Fujitsu. Er sammelt Fahrzeugdaten aller Art und kombiniert sie mit anderen Informationen, etwa dem aktuellen Standort des Fahrers oder Daten über die Verkehrs- und Wetterlage. Gesammelt, selektiert, ausgewertet und bereitgestellt werden diese Informationen in Echtzeit über Cloud-Computing-Rechenzentren. Auf Basis von Technologien von SPATIOWL lassen sich zahlreiche Dienste bereitstellen: von der Routen-Planung über Gefahrenmeldungen bis hin zu Systemen, die das Fahrzeug automatisch steuern, während der Fahrer seine E-Mails oder Instant Messages durchgeht.
… doch sie muss noch smarter werden!
Ansatzpunkte, wie die Informations- und Kommunikationstechnologie unser Leben einfacher gestalten kann, gibt es somit genug. Auch die erforderlichen Technologien stehen zu einem Gutteil bereits zur Verfügung, von mobilen Systemen und Kommunikationstechniken über Lösungen für die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation bis hin zu Cloud Computing und Big-Data-Analysen.
Was noch fehlt, sind selbstlernende IT-Systeme. Nein, keine neunmalklugen Roboter oder Supercomputer mit Weltherrschaftsallüren, wie sie in Science-Fiction-Filmen vorkommen. ICT-Unternehmen müssen vielmehr intelligente IT-Lösungen entwickeln, die aus dem beobachteten Verhaltensmuster ihres Nutzers die richtigen Schlüsse ziehen – und ihm dabei helfen, die für ihn relevanten Informationen zu erhalten. Dies muss zudem auf die aktuelle Rolle des Nutzers zugeschnitten sein: In seiner Position als Mitarbeiter im Unternehmen benötigt der User andere Daten als zu Hause auf der Couch. Das Stichwort heißt „Human Centric IT“. Eine intelligente Wirtschaft und moderne Gesellschaft wird ohne solche intelligente IT-Systeme nicht überlebensfähig sein.
Doch gleichzeitig steht auch der Anwender, der davon profitieren soll, in der Pflicht, der IT Zugriff auf seine Daten zu ermöglichen. Intelligente IT- und Kommunikationssysteme, die dem Nutzer Arbeit abnehmen, indem sie Informationen auswerten, filtern und selbstständig Entscheidungen treffen und ein omnipotenter User, der keine Informationen von sich selbst preisgeben möchte – das kann nicht funktionieren. Beide Seiten müssen sich bewegen, das heißt die Anbieter von ICT-Lösungen und die Nutzer! Erst dann können wir eine intelligente IT, in deren Mittelpunkt der Mensch mit seinen konkreten Bedürfnissen steht, realisieren.