Den KI-Hype durchschauen: Ein pragmatischer Leitfaden für CXOs

Die Künstliche Intelligenz (KI) scheint als erste Generation der Automatisierung zu versprechen, sich an den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt. Ein Trugschluss, meint Neil Lawrence, Inhaber des Lehrstuhls für Deep Mind an der Universität Cambridge. In der Vergangenheit hat jede technologische Revolution verändert, wie Prozesse ablaufen, Unternehmen geführt und Gesellschaften organisiert werden. Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass dies bei der Künstlichen Intelligenz anders sein wird. Dennoch hat dieser Irrtum immer noch Auswirkungen auf die Wahrnehmung von KI in Unternehmen. Viele Führungskräfte glauben, dass durch das bloße Hinzufügen von KI ein einfacher Weg zum Erfolg entsteht.

Ich war Teilnehmer vieler Diskussionsrunden über den Einsatz von KI als Lösung für die verschiedensten gesellschaftlichen und organisatorischen Herausforderungen. Die Erkenntnisse und praktischen Ratschläge für CXOs, die ich dabei gewonnen habe, möchte ich in diesem Artikel weitergeben.

Inhalt

  • KI ist nicht gleich KI
  • Der Business-Mehrwert muss klar sein
  • Den menschlichen Aspekt bei der KI-Strategie nicht vergessen
  • Daten als Showstopper?
  • Den richtigen Zeitpunkt für die Einführung von KI wählen
  • Fazit
  • Die Zukunft der KI bei unseren exklusiven Business Breakfasts

KI ist nicht gleich KI

Im allgemeinen Sprachgebrauch gibt es ein weit verbreitetes Missverständnis, das vielen Menschen vielleicht gar nicht bewusst ist: Es wird kein Unterschied zwischen den einzelnen KI-Technologien gemacht. Dabei wird oft übersehen, dass das Feld der KI eine Vielzahl von Technologien und Werkzeugen umfasst – mit spezifischen Fähigkeiten und Anwendungen. Während sich beispielsweise neuronale KI-Systeme durch Mustererkennung und Lernfähigkeit auszeichnen, sorgen regelbasierte Systeme für Klarheit und Nachvollziehbarkeit, wenn Entscheidungsprozesse transparent sein müssen. So erfordert zum Beispiel die Arzneimittelforschung grundlegend andere KI-Werkzeuge als die Gesichtserkennung.

Die Herausforderung für Führungskräfte besteht also darin, nicht einfach zu sagen: „Wir setzen Künstliche Intelligenz ein, um besser zu werden.“ Denn echter Erfolg kann nur dann erzielt werden, wenn jeweils genau die Technologie genutzt wird, die am besten zu den individuellen Herausforderungen des jeweiligen Unternehmens passt.

Der Business-Mehrwert muss klar sein

Wenn ein Kunde zu uns kommt und sagt: „Wir würden gerne KI einführen“, dann frage ich immer erst mal nach: „Um was genau zu tun?“. Wenn er dann nicht genau sagen kann, welchen geschäftlichen Mehrwert ihm die Einführung von KI bringen soll, wird das Gespräch wahrscheinlich ergebnislos bleiben. Solange ein Unternehmen nicht weiß, wo die tatsächlichen Herausforderungen oder Chancen liegen, werden sich sowohl seine internen als auch wir externen Spezialisten schwertun, sinnvoll zu beraten, welche der unzähligen KI-Tools oder -Komponenten eingesetzt werden können, um den gewünschten Nutzen zu erzielen.

Möchten Sie mit unseren Expert*innen darüber sprechen, wie Sie die neusten KI-Entwicklungen in Ihrem Unternehmen nutzen können? Dann besuchen Sie doch eines unserer Fujitsu Business Breakfasts in München, Neckarsulm, Düsseldorf oder Hannover. Erfahren Sie mehr dazu am Ende dieses Beitrags.

Eine kurze Beschreibung dieser Denkweise ist das sogenannte „Unterhosenwichtel-Problem“. Die Idee stammt aus einer Folge von South Park. In dieser Episode entdecken die Jungen, dass ihre Unterhosen verschwunden sind. Sie finden einen Wichtel, der die Unterhosen stiehlt, und folgen ihm durch einen Tunnel. Dort sehen sie einen riesigen Haufen gestohlener Unterhosen. Natürlich stellen sie dem Wichtel die naheliegende Frage: „Warum machst du das?“ Der Wichtel antwortet mit einem einfachen Dreistufenplan: „Schritt 1 – Unterhosen sammeln. Schritt 2 – Ähm… diese Phase lassen wir erst einmal aus. Schritt 3 – Profit!“

Natürlich gibt es keine Phase 2. Nur eine riesige unbegründete Annahme, dass irgendetwas die Schritte 1 und 3 verbinden wird. Deshalb führen wir in einigen Fällen Co-creation-Workshops durch. Dabei treffen wir uns mit den wichtigsten Führungskräften des Kundenunternehmens und Fujitsu Expert*innen, um herauszufinden, wo genau der Schuh drückt, bevor wir uns mit Lösungen beschäftigen. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen und dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass KI die Dinge auf magische Weise von selbst verbessert.

Den menschlichen Aspekt bei der KI-Strategie nicht vergessen

KI existiert nie isoliert. KI-Werkzeuge sind immer Teil eines größeren Systems. Und KI interagiert immer mit Menschen. Beispielsweise dienen die Ergebnisse von Large Language Models (LLM) oft als Input für menschliches Denken, ebenso wie Menschen die Eingabeaufforderungen für LLMs liefern. Aber wie man die Technologie am besten für einzelne Personen, Teams oder ganze Organisationen einsetzt, ist jeweils unterschiedlich.

Es ist etwas anderes, die Leistung eines Einzelnen zu verbessern als die eines ganzen Teams: Nehmen wir zum Beispiel an, Künstliche Intelligenz ermöglicht es, mehr E-Mails zu schreiben. Wenn es sich dabei um interne E-Mails und nicht um Massenmarketing handelt, wird das Team dadurch wahrscheinlich nicht effizienter. Vor allem dann nicht, wenn sich die Fähigkeit, E-Mails zu beantworten, nicht verbessert hat. In diesem Fall ist es sinnvoller, die Qualität der Ergebnisse des Einzelnen zu verbessern als nur die Quantität.

Die Unterstützung von Einzelpersonen ist zwar nützlich, reicht aber allein nicht aus, um die Leistung eines Teams zu revolutionieren. Ein gutes Beispiel eines Teams der Wharton Business School, das Lehrmaterial entwickelt, macht dies deutlich: Hier konnte durch die Integration von KI, die Feedback zum Prototyp des Lehrmaterials gibt, die Anzahl der Tester*innen reduziert werden. Der Einsatz von KI als Live-Teilnehmer, um in einem Meeting Notizen zu machen, menschliches Feedback zu sammeln und Codeänderungen vorzunehmen, führte zu Zeitersparnis. Aber erst durch die Änderung von Arbeitsabläufen und Verhaltensmustern im gesamten Team, durch die Integration von KI in diese Systeme, konnten die Lieferzeiten von über zwei Wochen auf wenige Tage verkürzt werden. Aufmerksame Leser*innen werden gleich an die Kosten und möglichen Widerstände denken, die es hier zu überwinden galt. Denn eine solche Veränderung ist weitaus disruptiver als die bloße Bereitstellung einer KI-Software für eine einzelne Person. Oftmals muss sich mit der Einführung von KI die Arbeitsweise des gesamten Teams ändern.

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Die darüberliegende Unternehmensebene unterscheidet sich nochmals deutlich von der des “Teams“. Ein Team ist klein und so eng miteinander verbunden, dass jedes Mitglied implizites Wissen über alle anderen Teammitglieder hat: Wer ist wer, wer hat welche Aufgabe, wer benötigt Hilfe oder kann sie anbieten? Dafür ist ein Unternehmen in der Regel einfach zu groß. So ist es beispielsweise für den Einzelnen unmöglich zu wissen, wofür die einzelnen Mitarbeiter*innen bei HSBC oder Google zuständig sind. Unternehmensweite Veränderungen können die Einführung eines neuen Softwarepakets sein, das von allen genutzt werden kann, oder die Stärkung Einzelner, aber in großem Maßstab. Unternehmensweite Veränderungen können aber auch große strukturelle Veränderungen im Unternehmen bedeuten.

Um den Zusammenhang zwischen einer solchen Disruption und der Produktivität zu verstehen, verwende ich ein Beispiel aus der Zeit der Elektrifizierung: Vor der Elektrifizierung wurden in vielen Fabriken die Werkzeuge mit Riemen angetrieben. Die Riemen übertrugen die mechanische Kraft von oben liegenden Transmissionsstangen, die durch die Fabrik liefen und von einem zentralen Motor angetrieben wurden. Als die Elektrifizierung kam, gab es keinen sofortigen Produktivitätsschub. Zumindest keinen großen. Strom wurde nur benötigt, wenn das Werkzeug laufen musste, die Transmissionsstangen mussten sich nicht ständig drehen, aber das war nur eine kleine Energieeinsparung.

Die wirkliche Veränderung trat erst ein, als das Setup in der Fabrik geändert wurde. So konnten die kompletten Produktionsprozesse verbessert werden. In der Ära des Riemenantriebs wurde das Setup der Fabriken durch die Effizienz der Anordnung von Stangen- und Riemenantrieben bestimmt und nicht durch die Ergonomie der für die Herstellung des Produkts erforderlichen Tätigkeiten. Das Fließband, wie wir es heute kennen, war im Grunde unmöglich. Sobald es möglich war, die Werkzeuge überall zu platzieren, konnten sie so angeordnet werden, dass der Montageprozess für Mensch und Maschine wesentlich effizienter und effektiver wurde. Um diese Vorteile nutzen zu können, musste sich die Organisation ändern und nicht einfach Ersatztechnologien in das bestehende Geschäftsmodell integriert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verständnis von individuellem Verhalten, Teamverhalten und
-prozessen sowie organisatorischen Arbeitsabläufen von grundlegender Bedeutung für den erfolgreichen Einsatz von KI ist.

Daten als Showstopper?

Jede Diskussion über KI ist unvollständig, wenn man nicht auch über die Daten spricht. Die Qualität der Ergebnisse des KI-Systems ist oft direkt proportional zur Qualität der verfügbaren Daten. Hier können Daten Showstopper sein. Denn einige Kunden ziehen den Einsatz von KI erst dann in Betracht, wenn ihre Daten perfekt aufbereitet sind. Jedoch weiß man im Voraus selten, welche Qualität gut genug ist. Mit ergänzenden Maßnahmen kann die Datenqualität natürlich verbessert werden. Aber jeder zusätzliche Aufwand bringt in der Regel etwas weniger Ertrag. Man weiß nie, wann die Grenze zwischen langsam sinkenden Erträgen und ausreichend aufbereiteten Daten überschritten ist. Manchmal gilt es deswegen einfach; einen Startpunkt zu wählen und zu akzeptieren, dass die Datenbereinigung während der Anwendungsphase sukzessive erfolgt.

Ein Beispiel für diese produktivere iterative Denkweise beschreibt der KI-Pionier Andrew Ng anhand seiner Student*innen, die ein Start-up-Unternehmen gründeten. Zunächst erstellten sie einen Datensatz mit Fotos von gesundem und krankem Kohl. Dann entwickelten sie ein Computer-Vision-System, um kranken Kohl zu identifizieren, Schädlinge gezielt zu entfernen und so den großflächigen Einsatz von Pestiziden zu reduzieren. Mit ihrem Prototyp wandten sie sich an Landwirt*innen, die das System nützlich fanden. Diese ersten Nutzer*innen generierten weitere Fotos und damit mehr Daten, um ein noch besseres KI-System zu entwickeln. Das wiederum zog noch mehr Nutzer*innen an. Schließlich kaufte der Agrarriese John Deere das Start-up Blue River für mehr als 300 Millionen Dollar, weil der Datensatz so einzigartig und für die Konkurrenz schwer zu bekommen war.

Manche sagen, Daten seien das neue Öl. Aber Öl wird gefördert, Daten werden erzeugt. Öl wird bei der Nutzung verbraucht, Daten können immer wieder verwendet werden. Deshalb sollten Daten nicht als Showstopper gesehen werden, sondern als Rohstoff, der zyklisch und schrittweise verbessert werden kann.

Den richtigen Zeitpunkt für die Einführung von KI wählen

Häufig werde ich gefragt, ob jetzt der richtige Zeitpunkt für die Einführung von KI ist. Sollte man eine aufkommende Technologie frühzeitig einführen oder warten, bis sie ausgereift ist?

Die Antwort ist nicht einfach. Menschen sind nicht gut darin, exponentielles Wachstum intuitiv zu erfassen. Hinzu kommt, dass sich das allgemeine exponentielle technologische Wachstum aus einzelnen Transformationsschritten zusammensetzt, von denen jeder einzelne typischerweise eine S-Kurve beschreibt. Am Anfang stehen langsame Fortschritte, oft begleitet von überzogenen Erwartungen und Enttäuschungen. In der mittleren Phase kommt es zu einem explosionsartigen Wachstum. In der letzten Phase flacht der Fortschritt ab, die Technologie ist weitgehend ausgereift und nur die anspruchsvollsten Anwendungsfälle bleiben übrig.

Ein gutes Beispiel ist das Konzept der Impfung. Es existiert mindestens seit dem 15. Jahrhundert. Zunächst entwickelte sich das Verständnis allerdings nur langsam, während man versuchte den richtigen Krankheitserreger und die passende Dosis herauszufinden, um eine Immunität zu erzeugen, ohne die Krankheit zu provozieren. Nachdem die Grundlagen verstanden waren, stiegen vor allem in den 60er- und 70er-Jahren die Impferfolge sprunghaft an. Während mittlerweile gegen eine steigende Anzahl von Krankheiten geimpft werden kann, bleiben nur noch die schwierigsten Fälle übrig und der Fortschritt stagniert.

Die größte Aufregung in der KI gibt es derzeit rund um die Themen Generative KI und LLM, da hier die beschriebene Entwicklungskurve sehr steil verläuft. Dieser Teil der Kurve wird wahrscheinlich einen Großteil der zukünftigen Probleme lösen und sollte daher das Mittel der Wahl sein. Hierbei wird jedoch nicht berücksichtigt, wo sich die KI-Werkzeuge auf der generellen KI-S-Kurve befinden und welche Kombination für ein spezifische Geschäftsproblem am besten geeignet ist.

In einigen Fällen ist es ohne Experimente gar nicht möglich, die richtige Kombination von Instrumenten und Ansätzen zu ermitteln. Diese erfordern allerdings Zeit, Geld und möglicherweise Betriebsunterbrechungen. Wenn man jedoch nicht im Voraus weiß, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, wird man immer zu früh oder zu spät auf den exponentiellen technologischen Wandel reagieren. Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten wird der Schritt zur Einführung von KI oftmals als zu früh empfunden. Wenn der richtige Zeitpunkt für die Einführung von KI jedoch generell schwer zu ermitteln ist, ist eine zu frühe Einführung langfristig wahrscheinlich tragfähiger als eine zu späte.

Fazit

Um die Erfolgschancen Ihres KI-Projekts zu erhöhen, sollten Sie KI als einen Werkzeugkasten verstehen und nicht als illusorisches Allheilmittel, das alle Probleme auf einen Schlag löst. Ihre KI-Initiativen sollten von klaren Zielen geleitet werden und im kompletten Projekt den menschlichen Aspekt berücksichtigen. Eine angemessene Datenqualität ist zu Anfang wichtig. Jedoch lassen sich Verbesserungen – wie bei den KI-Kohl-Landwirt*innen – oft am besten in einem iterativen Prozess erreichen. Abschließend lässt sich sagen, dass es selten den „perfekten“ Zeitpunkt für die Einführung von KI gibt – warten Sie also nicht, bis es zu spät ist!

Der beste erste Schritt ist es, uns anzusprechen.

Wenn Sie sich in der Zwischenzeit mit einem KI-Toolkit vertraut machen möchten, empfehlen wir Ihnen Kozuchi von Fujitsu. Dabei handelt es sich um eine Cloud-basierte Plattform, die in sieben KI-Bereiche unterteilt ist und eine schnelle Entwicklung, Erprobung und Implementierung ermöglicht.

Die Zukunft der KI bei unseren exklusiven Business Breakfasts

Möchten Sie in kleiner Runde mehr dazu erfahren, wie Sie die neuesten KI-Entwicklungen in Ihrem Unternehmen nutzen können? Dann besuchen Sie doch eines unserer Business Breakfasts im November. In vier deutschen Städten zeigen wir Ihnen, wie Sie mit KI Ihre Prozesse transformieren, die Effizienz steigern und Innovationen vorantreiben.

Die Termine:

  • 20.11. München
  • 21.11. Neckarsulm
  • 27.11. Düsseldorf
  • 28.11. Hannover

Tauschen Sie sich in fokussierten Diskussionen mit Fujitsu Expert*innen aus und profitieren Sie von deren Erfahrung. Gemeinsam erkunden wir die Brücke zwischen innovativen KI-Themen und bewährten Anwendungslösungen. Entdecken Sie außerdem die Kraft der KI mit Microsoft Copilot, ServiceNow und Fujitsus Spitzentechnologien. Unsere Expert*innen zeigen Ihnen, wie Sie diese Technologien in Ihren Alltag integrieren und neue Möglichkeiten für Ihr Unternehmen erschließen können. Sichern Sie sich am besten noch heute Ihre Teilnahme beim exklusiven Business Breakfast – hier geht’s zur Anmeldung.