Heute Trainee, morgen Japan: Annalenas Weg bei Fujitsu

Zwischen Deutschland und Japan liegen rund 9.000 Kilometer – eine ganz schöne Strecke. Annalena Tachibana hat diese Entfernung jedoch nicht abgeschreckt. Zwei Jahre, nachdem sie 2020 ihr SAP-Traineeprogramm bei Fujitsu Deutschland begonnen hat, wagte sie den Sprung nach Asien. Zunächst wurde sie Ende 2022 auf eigenen Wunsch für sechs Monate als Expert zur Fujitsu Limited entsendet. Dort gefiel es ihr dann so gut, dass sie alles daransetzte, auf Dauer in Tokio zu bleiben und ein fester Teil der Global Business Application Devision im SAP Premium Supplier Team zu werden. Wir haben mit Annalena darüber gesprochen, wie ihr Weg nach Japan aussah und welchen Herausforderungen und Learnings sie dabei begegnet ist.

Annalenas Weg nach Japan

Faszination Asien

Das Interesse für andere Sprachen und Kulturen und dafür, wie die Geschäftswelt außerhalb Europas funktioniert, war bei Annalena schon lange vorhanden. Während des Studiums im Fach „Regionalstudien China und BWL“ vertiefte sich ihre Begeisterung für die asiatische Kultur noch einmal deutlich. So kam es dann auch, dass sie 1,5 Jahre ihres Studiums direkt in China absolvierte und die chinesische Sprache lernte. Im Anschluss zog es sie für ein halbes Jahr nach Japan – ebenfalls um ihr Studium fortzusetzen, die japanische Kultur kennenzulernen und die Sprache zu lernen. Mit einem anschließenden Praktikum in Tokio konnte Annalena dann erstmalig in die japanische Geschäftswelt eintauchen.

Annalena auf dem Weg nach Japan

Annalena auf dem Weg nach Japan

Durch die interkulturelle Kommunikation und Arbeit bemerkte Annalena bereits damals viele Herausforderungen, die über die rein sprachlichen Aspekte hinausgingen. Als Beispiel erzählt sie uns vom deutlichen Unterschied zwischen der eher direkten, nur teilweise hierarchisch beeinflussten Kommunikation in Europa zur weichen und indirekten in Japan, die klar von den hierarchisch organisierten Strukturen dort geprägt ist. Doch dazu später mehr.

Der Einstieg als Trainee bei Fujitsu

Einer Übernahme in eine japanische Festanstellung direkt im Anschluss an das Praktikum dort stand dann leider Corona im Weg. Annalena ging daher zunächst zurück nach Deutschland – gab aber den Wunsch, in Japan zu arbeiten nicht auf. Bei der Suche nach Karrieremöglichkeiten in japanischen Firmen stieß sie auf Fujitsu – und startete dort 2020 ihr Traineeship im Bereich SAP bei Fujitsu Deutschland. Der Weg zurück nach Japan war dann aber alles andere als selbstverständlich: „Die Opportunity habe ich nicht einfach so bekommen“, betont Annalena. „Es war ein sehr harter und steiniger Weg.“

Insgesamt nahm die Planung der Entsendung nach Japan ein ganzes Jahr in Anspruch. Bereits zu Beginn des zweiten Trainee-Jahres sprach Annalena erstmals mit ihrer Führungskraft über diese Ambitionen – und traf auf offene Ohren. Sie ist sich sicher: „Ohne die Unterstützung meines Chefs wäre der Weg nach Japan überhaupt nicht möglich gewesen.“

Viele Schritte auf dem Weg nach Japan

Die einzelnen SAP-Teams von Fujitsu arbeiten auf globaler Ebene fachlich eng verzahnt miteinander. Dadurch ist die unterstützende Tätigkeit deutscher Mitarbeiter*innen in Japan durchaus sinnvoll. Doch wie überzeugt man alle Verantwortlichen davon, dass man selbst der oder die richtige für diese Aufgabe ist?

Im ersten Schritt bereitete Annalena dafür einen Business Plan vor, der ihre geplante Tätigkeit in Japan sowie den sich daraus ergebenden Mehrwert für Fujitsu detailliert darstellte. Der Fokus lag dabei auf der Entsendung als Expert für sechs Monate, um so die SAP-Teams in Deutschland und Japan in der Zusammenarbeit zu unterstützen. Nach der Fertigstellung des Business Plans suchte Annalena nach Möglichkeiten, in den direkten Kontakt mit japanischen SAP-Teams zu kommen. Der beste Weg dafür war es, deutsche Kolleg*innen ausfindig zu machen, die bereits einmal nach Japan ins SAP-Umfeld entsendet wurden. Durch intensives Networking kam Annalena schließlich mit dem ehemaligen Global Head Office in Japan in Kontakt. Sie arrangierte ein Meeting mit dem entsprechenden Kollegen, an welchem Annalenas Führungskraft und sie selbst teilnahmen.

Das Ergebnis dieses Meetings war erfreulich: Fujitsu Japan war grundsätzlich offen, Kolleg*innen aus anderen Fujitsu Gesellschaften zu beschäftigen. Für eine endgültige Entscheidung bereitete Annalena dann aber ihren Business Plan noch einmal für die japanischen Kollegen auf, um ihnen deutlich zu machen, wie die konkreten Tätigkeiten aussehen konnten und worin die Unterstützung lag.

Los geht‘s

Ein wichtiger Punkt war auch die Übernahme der Kosten für die Entsendung. Da Annalena während des halben Jahres weiterhin bei der deutschen Organisation beschäftigt sein würde, musste diese sämtliche Kosten tragen. Auch hier erfuhr Annalena wieder viel Unterstützung durch ihre direkte Führungskraft, welche davon überzeugt war, dass die Entsendung nach Japan aufgrund diverser Schnittstellenthematiken im SAP-Bereich einen großen Mehrwert für Fujitsu bot.

Am Ende vieler Gespräche stand dann endlich die Zustimmung der gesamten Geschäftsführung Fujitsu Deutschlands: Dem Weg nach Japan stand nichts mehr im Weg. Die Entsendung erfolgte direkt im Anschluss an Annalenas Trainingsprogramm für den Zeitraum von September 2022 bis Februar 2023. Neben dieser erfreulichen Nachricht nahm Annalena auch ein wichtiges Learning aus dieser Phase mit: „Wenn jemand eine Absage erteilt, dann darf man sich davon nicht unterkriegen lassen. Versuche zu verstehen, warum der Gegenüber dir eine Absage erteilt, und hole ihn genau an diesem Punkt thematisch ab.“

Großartiger Ausblick vom Fujitsu Office über Tokio.

Großartiger Ausblick vom Fujitsu Office über Tokio.

Sechs Monate sind nicht genug

Bereits nach zwei Monaten in Japan entschied sich Annalena, dass sie die Tätigkeit dort gerne über das vereinbarte halbe Jahr hinaus fortsetzen wollte. Mit diesem Wunsch suchte sie das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten vor Ort. Wie es der Zufall wollte, wurde zu diesem Zeitpunkt ein neues Projekt ausgerollt, an dem Annalena maßgeblich beteiligt war. In diesem Projekt gab es die Möglichkeit, langfristig mitzuarbeiten.

Nach Absprache mit ihrer Führungskraft bewarb sich Annalena auf die entsprechende Stelle. Es folgte ein klar definierter Bewerbungsprozess für „Mid Careers“, den sie für eine Festanstellung in Japan durchlaufen musste. Enthalten war ein umfangreiches Assessment Center mit mehreren Tests und Interviews. Nach kurzer Zeit erfolgte schließlich die Zusage und Annalena konnte die Tätigkeit in Japan im Rahmen einer Festanstellung fortsetzen.

Die Schlüsselfaktoren für den erfolgreichen Weg nach Japan

Wir haben Annalena natürlich nach den Schlüsselfaktoren gefragt, die ihrer Meinung die Entsendung nach Japan möglich gemacht haben. Ihre Einschätzung:

  1. Ihr großes Engagement und ihre Eigeninitiative, mit der sie ihr klar gesetztes Ziel erreichen wollte
  2. Dass sie ihr Ziel nie aus den Augen verloren und auch in schwierigen Momenten weiter dafür gekämpft hat
  3. Die große Unterstützung ihrer Führungskraft in Deutschland, welcher sie bis heute sehr dankbar ist

Sie betont ebenfalls, wie viel sie aus der ganzen Situation gelernt hat – zum Beispiel, niemals aufzugeben, wenn einem etwas wirklich wichtig ist. Aber auch, dass im Business-Umfeld die Wirtschaftlichkeit und die Kosten eine große Rolle spielen. Ein so kostspieliges Vorhaben wie eine Entsendung muss immer mit einem Mehrwert für das Unternehmen verbunden sein.

Die japanische Arbeitswelt und ihre Besonderheiten

Aller Anfang ist schwer

Bei aller Begeisterung muss Annalena zugeben: Die erste Zeit in der japanischen Arbeitswelt war für sie schwieriger als erwartet. Obwohl sie die japanische Sprache bereits sehr gut beherrschte, brachte deren Nutzung im Business-Umfeld noch einmal neue Herausforderungen mit sich. So sprach in ihrem eigenen Team niemand Englisch und auch in den anderen Teams fanden sich nur vereinzelte Kolleg*innen. Zudem war sie in ihrem Team zu diesem Zeitpunkt der erste entsendete Expert aus dem Ausland, sodass sich alle erst einmal auf die neue Situation einstellen mussten. Annalena stand vor vielen wichtigen Fragen, um die Funktionsweise ihres Teams kennenzulernen: wer ist für was verantwortlich, wie sind die Abläufe und wie sehen ihre Aufgaben überhaupt konkret aus?

Tiefer Blick vom Fujitsu Office in die Straßen von Tokio.

Tiefer Blick vom Fujitsu Office in die Straßen von Tokio.

Wie überall in der japanischen Arbeitswelt gibt es bei Fujitsu Japan sehr feste Strukturen und Prozesse, die zu jeder Zeit eingehalten werden müssen. Vieles hat Annalena nach dem Prinzip „Trial and Error“ herausfinden müssen – was in solchen Situationen völlig normal ist. „Kommunikation und Zusammenarbeit funktionieren hier anders“, erklärt sie uns im Gespräch.

Stellen Sie sich vor, sie wollen an Annalenas Stelle einen Kollegen aus einem anderen Team kontaktieren, da er Englisch spricht und sie sich mit ihm über etwas austauschen möchten. Vermutlich würden Sie ihn einfach direkt kontaktieren – weil Sie es so gewohnt sind. In Japan hingegen ist es nicht gerne gesehen, so etwas ohne eine Absprache mit den entsprechenden Vorgesetzten zu tun. Annalena müsste in einem solchen Fall zunächst ihre eigene Führungskraft um eine Erlaubnis zur Kontaktaufnahme bitten. Wird diese gewährt, spricht sie als nächstes die Führungskraft des entsprechenden Kollegen an. Erst wenn auch diese ihr Einverständnis gibt, kann Annalena den englischsprechenden Kollegen direkt kontaktieren.

Kulturelle Unterschiede zwischen Deutschland und Japan

Ähnlich sieht es bei der Umsetzung eigener Ideen aus. In Japan erhält man im Normalfall eine Aufgabe direkt von Führungskraft zugewiesen, so Annalena. Man führt diese aus und berichtet an die Führungskraft zurück, wenn die Aufgabe erledigt ist. Die vollständige Verantwortung für den Handlungs- und Aufgabenbereich des Teams liegt damit bei der Führungskraft. Als Angestellte*r selbstständig neue Aufgaben und Ideen in die Umsetzung zu bringen, ist unüblich. Selbst initiierte Handlungen werden schnell als Alleingang verstanden, bei welchem die Führungskraft in ihrer Position nicht respektiert und dadurch kritisiert wird. Diese Art der Zusammenarbeit ist in Japan Standard, in der Regel hält sich jeder an diese sozialen und hierarchischen Regeln.

Als Mitarbeiter*in aus einer völlig anderen Kultur ist es wichtig, sich dieser Unterschiede bewusst zu sein und sich anzupassen. Annalena denkt mit einem Lächeln an ihre erste Zeit zurück: „Die ersten 8 Monate waren sehr schwer. Mittlerweile habe ich verstanden, wie die Zusammenarbeit funktioniert und es gefällt mir jeden Tag besser und es fällt mir leichter.“ Auch wenn sie bereits seit einiger Zeit in Japan arbeitet, ist Annalena noch heute beeindruckt von dem hohen Maß an Struktur, Fokus und Professionalität, welche sie dort erlebt.

Starke Hierarchien in der japanischen Arbeitswelt

Die strikten Hierarchien zeigen sich auch in anderen Bereichen der Arbeitswelt. Als Beispiel dafür erzählt Annalena uns davon, wie der Beginn eines Office-Meetings in aller Regel aussieht.

Alle Teammitglieder treten pünktlich in den Meetingraum ein und nehmen Platz. Small Talk mit den Kolleg*innen wie wir ihn hier in Europa kennen, wird jedoch nicht gerne gesehen. Zum einen hat dies den Grund, dass in Japan ein sehr hoher Wert auf Professionalität und einen Fokus auf die Arbeit gelegt wird. Zum anderen beginnen Gespräche in Meetings erst dann, wenn die Führungskraft es offiziell eröffnet hat. Auch die Leitung und Moderation des Meetings liegen alleine bei der Führungskraft.

Pünktlichkeit wird ebenfalls sehr geschätzt. Man geht respektvoll mit der Zeit seiner Arbeitskolleg*innen um. Wenn man zu spät zu einem Meeting erscheint – und sei es nur eine Minute – entschuldigt man sich aufrichtig und verspricht, dass es nicht wieder kommt. Mit einem Lachen fügt Annalena hinzu: „Und dann sollte es auch wirklich nicht noch einmal vorkommen.“

Kundenmeetings als Herausforderung

Verantwortlichkeiten sind in der japanischen Arbeitswelt sehr stark definiert. Es gibt viele Listen und sogenannte „Manuals“, in denen genau dokumentiert ist, wer was bis wann bearbeitet. Dadurch wird zum einen das gesamte Team umfassend mit allen relevanten Informationen, Dokumenten und Neuigkeiten versorgt. Zum anderen kann so auch die Arbeitsbelastung gut gesteuert werden.

Annalena auf dem Balkon des Fujitsu Offices über den Dächern von Tokio.

Annalena auf dem Balkon des Fujitsu Offices über den Dächern von Tokio.

Kundenmeetings finden fast ausschließlich beim Kunden statt und sind sehr stark formalisiert. So verbeugt man sich bei der Begrüßung und übergibt seine Visitenkarte. Es herrscht eine klare Sitzordnung. Der oder die hierarchisch höchste Kolleg*in spricht im Meeting. Als Mitarbeiter*in beteiligt man sich nur, wenn man explizit dazu aufgefordert wird. Diese Art von Meetings soll beim Kunden ein Gefühl von Glaubwürdigkeit und Professionalität erzeugen. Sie symbolisiert den Respekt vor dem Kunden und vor der Position der eigenen Führungskraft.

Bei allen Stolpersteinen: der Spaß überwiegt

Auch wenn vor allem die erste Zeit in Japan viele Herausforderungen mit sich brachte, bereut Annalena ihre Entscheidung nicht. Am meisten Spaß macht ihr dabei ihre persönliche, fachliche und sprachliche Entwicklung durch die Arbeit. Besonders stolz ist sie, wenn sie eine erfolgreiche und verständliche Präsentation bei einem Kunden hält – diese Meetings sind noch einmal anspruchsvoller als die mit ihren Teammitgliedern. Durch solche Erfolge merkt sie, dass ihre sprachlichen Fähigkeiten immer weiter steigen und sich die Arbeit und Mühe auszahlen.

Doch nicht nur kulturell und sprachlich bemerkt Annalena Fortschritte. Sie versteht auch die Prozesse und die generelle Geschäftswelt in Japan immer besser. Mittlerweile kann sie einen echten Mehrwert für das Unternehmen bieten, indem sie ein paar Mal in der Woche in Meetings vom Englischen ins Japanische übersetzt – und zurück. Dabei ist es wichtig, die Botschaften auch kulturell anzupassen.

Tipps für einen erfolgreichen Start im Ausland

Hat Annalena vielleicht auch ein paar Tipps für jemanden, der ebenfalls einen Aufenthalt im Ausland in Betracht zieht – egal für welchen Zeitraum?

Voller Begeisterung teilt sie ein Buch mit uns, welches sie persönlich sehr gut auf ihre Zeit in Japan vorbereitet hat: „The Culture Map: Decoding How People Think, Lead, and Get Things Done Across Cultures“ von Erin Meyer. Das Buch enthält zahlreiche Informationen darüber, wie Menschen interkulturell zusammenarbeiten.

Am Ende unseres Gesprächs fast Annalena noch einmal zusammen, wie dankbar sie jeden Tag dafür ist, dass sie ihren Lebensmittelpunkt nach Japan verlagern konnte und nun dort leben und arbeiten darf. Vielen Dank an Annalena für ihre Zeit und die vielen spannenden Informationen. Wir wünschen dir alles Gute für deine weitere Zeit in Japan.

Ramen darf natürlich auch nicht fehlen.

Ramen darf natürlich auch nicht fehlen.

Mehr zum Leben und Arbeiten in Japan

Vor einigen Jahren verbrachte unsere Kollegin Susan Wiesner ein Jahr in Japan. Hier im Blog hat sie regelmäßig von Erlebnissen berichtet. Sie möchten wissen, wie sie Japan, die Arbeit und vor allem das Leben dort erlebt hat? Hier geht’s zum Reisetagebuch Japan.