Regulatorik als Modernisierungsmotor: Legacy-Transformation unter Compliance-Druck

1.636 Cyberangriffe pro Woche und Organisation – diese Zahl aus einer aktuellen Studie verdeutlicht das Ausmaß der Bedrohungslage. Gleichzeitig verschärfen sich regulatorische Anforderungen dramatisch: NIS2, DORA und der Cyber Security Act schaffen neue Realitäten für europäische Unternehmen. Was zunächst wie eine doppelte Belastung erscheint, entpuppt sich jedoch als historische Chance für die Legacy-Modernisierung.

Das #EINTRACHTDIGITAL Event im Deutsche Bank Park brachte diese zentrale Erkenntnis hervor: Regulierungsdruck wird zum entscheidenden Katalysator für IT-Transformation. Aktuelle Studien zeigen das Ausmaß: 80 % der IT-Budgets in EMEA-Unternehmen fließen mittlerweile in Cybersecurity und Compliance. 95 % der betroffenen Firmen müssen Mittel aus anderen Geschäftsbereichen umschichten. Diese Zahlen markieren einen Wendepunkt: Compliance ist nicht mehr nur Kostenfaktor, sondern wird zum Treiber zukunftsweisender IT-Architekturen.

Podiumsdiskussion im Deutsche Bank Park - Expert*innen diskutieren über IT-Modernisierung und Regulierungsdruck

Podiumsdiskussion im Deutsche Bank Park – Expert*innen diskutieren über IT-Modernisierung und Regulierungsdruck

NIS2 und DORA schaffen neue Realitäten

Die NIS2-Richtlinie und der Digital Operational Resilience Act (DORA) definieren seit Januar 2025 neue Standards für IT-Sicherheit und operative Resilienz. Dabei zeigt sich ein bemerkenswerter Paradigmenwechsel: Regulierung fungiert nicht mehr als Innovationsbremse, sondern als Modernisierungstreiber.

NIS2 erweitert den Anwendungsbereich drastisch – von 4.500 auf etwa 30.000 betroffene Unternehmen in Deutschland. Die Anforderungen sind dabei konkret: 24-Stunden-Meldepflichten, algorithmusbasierte Angriffserkennung und Business-Continuity-Pläne nach Stand der Technik. Legacy-Systeme ohne moderne Monitoring-Capabilities können diese Anforderungen schlichtweg nicht erfüllen.

DORA verschärft diese Entwicklung für den Finanzsektor zusätzlich. Die Verordnung verlangt ICT-Risikomanagement-Frameworks, kontinuierliche Systemüberwachung und regelmäßige Penetrationstests. Finanzunternehmen müssen ihre gesamte IT-Infrastruktur auf digitale Resilienz ausrichten – ein Vorhaben, das ohne grundlegende Modernisierung unmöglich bleibt.

Diese regulatorischen Anforderungen treffen auf eine IT-Landschaft, in der bereits heute 80 % der Budgets großer Unternehmen für die Wartung veralteter Systeme verwendet werden. Dabei entstehen existenzielle Risiken: Unternehmen, die NIS2-Anforderungen nicht erfüllen, drohen Geldstrafen von bis zu 10 Millionen Euro oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes. DORA-Verstöße können bei kritischen ICT-Anbietern zu täglichen Bußgeldern von 1 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes führen – bis zu sechs Monate lang.

Doch die finanziellen Konsequenzen sind nur die Spitze des Eisbergs. Legacy-Systeme ohne moderne Monitoring-Capabilities können die 24-Stunden-Meldepflichten schlichtweg nicht erfüllen. Mainframe-Anwendungen aus den 1960ern lassen sich nicht mit Zero Trust-Architekturen vereinbaren. Die Konsequenz ist eindeutig: Modernisierung wird zur existenziellen Notwendigkeit.

Von der Compliance-Pflicht zur strategischen Chance

Intelligente Unternehmen erkennen in den regulatorischen Anforderungen mehr als nur lästige Pflichterfüllung. Sie nutzen Compliance-Vorgaben als Business Case für umfassende IT-Transformation und schaffen dabei nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

Der Schlüssel liegt in einem ganzheitlichen Modernisierungsansatz. Statt isolierte Compliance-Lösungen zu implementieren, entwickeln zukunftsorientierte Organisationen integrierte Strategien. Diese verbinden regulatorische Anforderungen mit geschäftlichen Zielen: verbesserte Agilität, reduzierte Betriebskosten und erhöhte Innovationsfähigkeit.

Praktische Beispiele zeigen das Potenzial: Finanzunternehmen, die DORA-Compliance als Anlass für umfassende Cloud-Migration nutzen, erzielen Kosteneinsparungen von 25-40 % bei gleichzeitiger Verbesserung ihrer digitalen Capabilities. Energieunternehmen modernisieren ihre SCADA-Systeme nicht nur für NIS2-Compliance, sondern schaffen dabei die Grundlage für IoT-Integration und Predictive Maintenance.

Die Herausforderung besteht darin, diese Transformation systematisch und risikominimiert umzusetzen. Dabei spielen moderne Ansätze wie das Strangler Fig Pattern eine wichtige Rolle: Legacy-Komponenten werden schrittweise durch moderne Services ersetzt, ohne die laufenden Geschäftsprozesse zu gefährden. Never Trust, Always Verify wird dabei zum architektonischen Grundprinzip für moderne IT-Infrastrukturen.

Schematische Darstellung einer modernen IT-Architektur mit Cloud-Komponenten, APIs und Sicherheitslayern

Schematische Darstellung einer modernen IT-Architektur mit Cloud-Komponenten, APIs und Sicherheitslayern

Branchenspezifische Herausforderungen meistern

Jede Branche bringt spezifische Modernisierungsherausforderungen mit sich, die individueller Lösungsansätze bedürfen. Der Finanzsektor kämpft mit Mainframe-basierten Kernsystemen aus den 1960ern, während Energieversorger die Integration von operationaler Technologie (OT) mit modernen IT-Standards bewältigen müssen.

Im Gesundheitswesen erschweren fragmentierte EHR-Systeme und proprietäre Medical Devices die GDPR-konforme Modernisierung. Krankenhäuser operieren häufig mit 200-300 Software-Systemen ohne Interoperabilität – ein Zustand, der sowohl Patientensicherheit als auch Compliance gefährdet.

Der öffentliche Sektor steht vor besonderen Herausforderungen durch föderale Strukturen und das Onlinezugangsgesetz (OZG) 2.0. Die Digitalisierung von 575 Leistungsbündeln bis 2028 erfordert die Modernisierung dezentraler Legacy-Infrastrukturen bei gleichzeitiger Wahrung von Datenschutz und IT-Sicherheit.

Erfolgreiche Modernisierungsprojekte zeigen jedoch, dass branchenspezifische Herausforderungen durchaus lösbar sind. Entscheidend ist die Kombination aus technischer Expertise, regulatorischem Know-how und pragmatischen Umsetzungsstrategien. Dabei bewähren sich API-First-Ansätze, die Legacy-Funktionalitäten schrittweise über moderne Schnittstellen zugänglich machen.

Zero Trust als Modernisierungsgrundlage

Die neuen Regulierungsanforderungen machen Zero-Trust-Architekturen faktisch zur Pflicht. Moderne Architekturen mit Service Mesh, API Gateways und dynamischen Sicherheitsrichtlinien werden zur Grundvoraussetzung für regulatorische Compliance.

Gleichzeitig bietet dieser Ansatz pragmatische Migrationspfade für Legacy-Umgebungen. Durch die schrittweise Implementierung von Sicherheitslayern können Unternehmen ihre bestehenden Systeme absichern, während sie parallel die Modernisierung vorantreiben. Diese hybride Herangehensweise minimiert Risiken und ermöglicht kontinuierliche Verbesserungen.

Die Investition in entsprechende Architekturen zahlt sich dabei mehrfach aus: Neben der Compliance-Erfüllung verbessern sich Sicherheitslage, operative Effizienz und Zukunftsfähigkeit der IT-Infrastruktur nachhaltig.

Fujitsus House of Modernization: Der holistische Ansatz

Fujitsu begegnet diesen Herausforderungen mit dem „House of Modernization“ – einem ganzheitlichen Modernisierungsansatz, der weit über reine Technologie hinausgeht. Die zentrale Erkenntnis: Erfolgreiche Modernisierung ist in erster Linie erfolgreiches Change-Management, bei dem kultureller und technologischer Wandel Hand in Hand gehen müssen.

Das House of Modernization basiert auf einem stabilen Fundament aus langjähriger Expertise in Consulting, Projektmanagement und Software-Modernisierung. Darauf aufbauend nutzt Fujitsu das Scaled Agile Framework (SAFe®) als bewährtes Rahmenwerk für die Transformation zu schlanken und agilen Organisationen. SAFe® eignet sich besonders für komplexe Projekte wie die Modernisierung von Unternehmen oder IT-Infrastrukturen, bei denen verschiedene Teams auf unterschiedlichen Ebenen koordiniert werden müssen.

Der holistische Charakter zeigt sich in der Verbindung von vier Säulen: Menschen, Prozesse, Technologie und Governance. Statt isolierte IT-Projekte durchzuführen, entwickelt Fujitsu integrierte Lösungsansätze, die organisatorische Veränderungsbereitschaft schaffen, etablierte Workflows respektieren und gleichzeitig zukunftsweisende Architekturen ermöglichen. Das partnerschaftliche Miteinander auf Augenhöhe und eine kontinuierliche „Wissenspipeline“ stellen dabei sicher, dass Know-how nachhaltig in die Kundenorganisation transferiert wird.

Dabei revolutionieren KI-gestützte Modernisierungs-Agenten den traditionellen Consulting-Ansatz. Diese intelligenten Systeme analysieren komplexe Legacy-Landschaften, identifizieren Modernisierungspotenziale und generieren automatisch Transformationsroadmaps. Knowledge Management Agenten erfassen dabei das implizite Wissen jahrzehntealter Systeme und machen es für moderne Architekturen verfügbar. Entscheidend bleibt jedoch: Die KI-gestützte Modernisierung wird stets von erfahrenen Consultants geleitet, die den Geschäftskontext verstehen und strategische Entscheidungen treffen. Mensch und Maschine ergänzen sich optimal – KI für die Analyse, Consultants für die Strategie.

Dashboard einer modernen IT-Management-Plattform mit Compliance-Metriken und Modernisierungsfortschritt

Dashboard einer modernen IT-Management-Plattform mit Compliance-Metriken und Modernisierungsfortschritt

Ausblick: Regulierung als kontinuierlicher Innovationstreiber

Die aktuelle Regulierungswelle ist erst der Anfang einer langfristigen Entwicklung. Mit dem EU Cyber Resilience Act (CRA) ab 2027 und kontinuierlichen Verschärfungen bestehender Vorschriften wird Compliance zum permanenten Modernisierungsmotor. Unternehmen, die diese Dynamik verstehen und strategisch nutzen, positionieren sich optimal für die digitale Zukunft.

Dabei geht es längst nicht mehr nur um Risikominimierung. Moderne, Compliance-konforme IT-Architekturen ermöglichen neue Geschäftsmodelle, verbesserte Customer Experience und nachhaltige Wettbewerbsvorteile. Die Investition in zukunftsweisende Technologien wird zur strategischen Notwendigkeit.

Der Erfolg hängt dabei von der richtigen Balance zwischen technischer Innovation und regulatorischer Sicherheit ab. Partner wie Fujitsu, die beide Welten verstehen und verknüpfen können, spielen eine wichtige Rolle für den Transformationserfolg deutscher Unternehmen.

Die Botschaft des #EINTRACHTDIGITAL Events bleibt aktuell: Regulierung ist nicht das Ende der Innovation, sondern ihr neuer Ausgangspunkt. Unternehmen, die diese Chance ergreifen, schreiben die nächsten Kapitel ihrer digitalen Erfolgsgeschichte.

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Autor

  • Max Schulze-Berl

    Max Schulze-Berl ist Experte im Bereich Modernisierung mit über 10 Jahren Erfahrung in Modernisierungsprojekten. Als Head of Center of Excellence Modernization Europe bei Fujitsu Germany ist er mit seinem Team für die strategische Beratung von Kunden und die Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen verantwortlich. Jetzt vernetzen: LinkedIn

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