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Ein Blogbeitrag von Marco Becker, Senior Consultant, IDC.

In einer vor kurzem durchgeführten Studie hat IDC die Umsetzung von Industrial IoT (IIoT) in deutschen industriellen und industrienahen Unternehmen untersucht. Ein grundsätzliches Ergebnis: Unternehmen beschäftigen sich zunehmend mit den Mehrwerten von IIoT und setzen Initiativen um. Das gilt sowohl für kurzfristige Mehrwerte im aktuellen pandemiegeprägten Tagesgeschäft als auch für strategische Möglichkeiten, die auf neue IoT-basierte Produkte und Geschäftsmodelle abzielen. Besonders im Fokus ist aktuell Edge Computing.

Technologie mit Potenzial – Edge Computing schlägt die Brücke zum Rechenzentrum

Bereits 15 Prozent der Befragten haben in ihren IoT Cases Edge Computing produktiv im Einsatz. Weitere 56 Prozent versuchen sich in Pilotprojekten oder befinden sich gerade in der Planung für solche. Aber was macht Edge Computing insbesondere in IoT-Umgebungen interessant? IT-Ressourcen sollen nun am Netzwerkrand, also am „Edge“, platziert werden, obwohl jahrelang IT-Infrastrukturen für mehr Effizienz gezielt in Rechenzentren konzentriert oder in die Cloud ausgelagert wurden. Wie passt das zusammen?

Auch wenn der Effizienzgedanke beim IT-Betrieb richtig ist, ist die Zentralität gleichzeitig eine Achillesferse für IIoT. Primär liegt das an den Distanzen, die die Daten für eine Verarbeitung im Rechenzentrum oder in der Cloud zurücklegen müssen. Edge Computing kann dieses Problem lösen, indem es dezentrale Verarbeitungsorte schafft. Allerdings ist die Umsetzung nicht banal und erfordert fortschrittliche technologische Expertise rund um Konnektivität, Computing und Datenanalysen.

Um von Trends nicht ausgeschlossen zu werden, tätigen Unternehmen häufig Investitionen, obwohl diese keine Garantien für Mehrwerte bieten und sich im Einzelfall durchaus nur als Kostenfaktor herausstellen können. Um das zu vermeiden, sollten Interessierte auch gründlich den wirtschaftlichen Mehrwert ihrer Ideen rund um Edge Computing durchdenken. So vermeiden sie Fehlinvestitionen, die sich auch negativ auf die Wahrnehmung anderer IoT-Investitionen auswirken können.

Einsatzgrad von Edge Computing in deutschen industriellen und industrienahen Unternehmen 

Cloud-Core-Edge-Balance macht flexibel und erhöht die Verlässlichkeit

Edge Computing ist für die meisten IoT-Umgebungen eine Ergänzung und ersetzt die zentralen IT-Infrastrukturen nicht. Das Augenmerk liegt daher auf der richtigen Komposition der IoT-Infrastruktur – und zwar in Abhängigkeit von den angestrebten Anwendungsszenarien und jeweiligen Anforderungen, die sich grundlegend unterscheiden können:

  • Ist mit dem umzusetzenden Use Case die Erzeugung von großen Datenmengen verbunden, beispielsweise bei Videoüberwachungen, ist es sinnvoll, dass bereits möglichst viel Datenmaterial am Edge verarbeitet wird. So werden Netzwerke und Speicher nicht überlastet. Sollen die großen Datenmengen trotzdem weiterverarbeitet werden, beispielsweise für Big- Data-Analysen, wird entsprechende Performance aus dem Rechenzentrum oder der Cloud benötigt.
  • Ist eine niedrige Latenz entscheidend, sollten die Daten ebenfalls direkt am Edge verarbeitet werden. Das hält den Versandweg kurz – beispielsweise bei autonomen Fahrzeugen oder Roboterassistenten, die im Optimalfall ohne Verzögerung auf Hindernisse reagieren müssen. Je nachdem, ob die Verarbeitung schnell oder sogar in Real Time stattfinden muss, kann zudem noch eine Auswahl zwischen Light Edge direkt an der Anlage und Heavy Edge getroffen werden. Das wäre zum Beispiel übergreifend für eine Fertigungsstraße oder eine ganze Smart Factory der Fall.
  • Anwendungsszenarien, die hohe Rechenleistungen benötigen, können auf Edge-Infrastruktur oft nur schwer umgesetzt werden, beispielsweise das Training von AI/ML-Algorithmen. Hier bietet sich das Kernrechenzentrum oder ein Cloud Service an – letzteres insbesondere dann, wenn sich der Aufbau einer eigenen Infrastruktur nicht auf Dauer lohnt, weil diese Szenarien nur selten auftreten. Die Ausführung des fertig trainierten Algorithmus kann dann wieder direkt am Edge stattfinden.

In der Regel tritt keine dieser Anforderungen allein oder isoliert auf, sondern in Kombinationen. Die einzelnen Anforderungen haben dabei unterschiedlich hohe Prioritäten oder können je nach Anwendungsszenario sogar alle gleichzeitig zutreffen.

Durch die direkte Verarbeitung von Daten am Edge und durch das Ausklammern der potenziellen Fehlerquelle „Datenversand“ kann zudem die Verlässlichkeit und Stabilität der IIoT-Anwendungen verbessert werden. Gerade im industriellen Umfeld ist ein reibungs- und lückenloser Betrieb häufig alternativlos, weil Fertigungsanlagen nicht problemlos abgestellt oder neu gestartet werden können. Autarke Edge-Infrastrukturen können die wichtigsten Funktionen steuern und damit temporäre Ausfälle des Rechenzentrums oder der Cloud überbrücken, bis wieder eine Verbindung besteht – oder auch eine dauerhaft schlechte Konnektivität kompensieren.

Jede IoT-Umgebung ist anders: Knackpunkt „Integration“

Der industrielle Sektor in Deutschland und vor allem der deutsche Mittelstand rund um Fertigung, Maschinenbau und Automotive ist so diversifiziert, dass es zahllose potenzielle IoT-Anwendungsszenarien gibt. Und auch bereits etablierte IoT Use Cases wie „Predictive Maintenance“ oder „Remote Control“ müssen an die jeweiligen Maschinen oder Prozesse angepasst werden. Dazu gehört sowohl die Datenerzeugung über Sensoren, die Datensammlung über verschiedenste Schnittstellen sowie die Aggregation der einzelnen Datenströme in einen gemeinsamen, auswertbaren Datensatz.

Diese individuell nötigen Anpassungen und die Beispiele rund um die Cloud-Core-Edge-Balance zeigen, dass IoT-Umgebungen je nach Anwendung und Unternehmen völlig verschieden aufgebaut werden können und müssen. Aus diesem Grund sollte bei der Gestaltung einer zukunftsfähigen IoT-Umgebung auch darauf geachtet werden, dass diese möglichst agil, flexibel und offen ist – damit auch zukünftige neue Use Cases möglichst einfach integriert werden können.

Standardisierung und Container gehören fest zur Zukunft von IoT und Edge

Besonders vielversprechend für die Zukunftsfähigkeit der eigenen IoT-Umgebung sind Standards. Schon jetzt gibt es unzählige IoT-Lösungen verschiedenster Anbieter*innen aus den Bereichen Sensorik, Maschinensteuerung, Industrieautomation, IT und vielen weiteren. Häufig können diese nur mit hohem Aufwand miteinander integriert werden. Allgemeingültige Standards erhöhen die Interoperabilität und sollten daher bei der Anbieter- bzw. Lösungsauswahl berücksichtigt werden. Sind die potenziellen Partner z. B. Mitglied in einschlägigen Verbänden wie dem Industrial Internet Consortium, der Open Industry 4.0 Alliance oder dem oneM2M-Netzwerk?  Diese streben nach einer gemeinsamen Standardisierung ihrer Lösungen.

Technologieseitig ist es insbesondere die Container-Technologie, die IoT und Edge Computing in Zukunft prägen wird: Container lassen sich nicht nur nach Bedarf skalieren, sondern sind auch Cloud-nativ und damit entsprechend agil. Zudem lassen sie sich auch trotz großer Anzahl leicht und zentral managen, schnell mit Sicherheitspatches versorgen und flächendeckend mit neuen Funktionen ausstatten.

Ein Rat zum Abschluss: Fremde Hilfe nutzen – aber bei der Auswahl von Partnern langfristig denken

Anwenderunternehmen werden in der Regel nicht umhinkommen, beim Aufbau komplexer IoT-Umgebungen fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei der Auswahl von entsprechenden Partner*innen und Ausrüstern sollte dann aber insbesondere drauf geachtet werden, dass diese neben aktuellem technischem Know-how, beispielsweise zu Edge Computing und Integration, auch die erforderliche Qualifikation für die tatsächliche Umsetzung der eigenen Ideen besitzen.

Neben einem ganzheitlichen IoT-Konzept und einer klaren IoT-Strategie für eine umfassende und langfristige Unterstützung gehört dazu auch die Flexibilität bei der Projektumsetzung, um der Variabilität der zahlenreichen industriellen Prozesse gerecht zu werden. Machen die potenziellen Partner*innen hierbei einen positiven Eindruck, stehen der erfolgreichen Umsetzung von IoT-Projekten einige Hürden weniger im Weg.

Die wichtigsten Fähigkeiten von IoT-Anbietern aus Anwendersicht 

Möchten Sie mehr über die Studie erfahren? Dann finden Sie hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse. (Link leider nicht mehr verfügbar)


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