Auf den Telekom Tech Grounds vom 28. – 29. Juni hat die Deutsche Telekom den ersten Anruf über das neue 5G O-RAN Netzwerk in Neubrandenburg live geführt. Die Deutsche Telekom und Fujitsu arbeiten gemeinsam an dem ersten echten Multi-Vendor 5G O-RAN basierenden Netzwerk in Deutschland. Neubrandenburg, eine Stadt mit etwa 65 000 Einwohner*innen nördlich von Berlin, wurde auserkoren, die Integration und Zusammenarbeit verschiedener Hersteller*innen im Feld zu testen. So kooperieren wir eng mit Mavenir, die das Projekt ebenfalls unterstützen und integrierten und lieferten 5G Central- und Radio-Units für das Funknetzwerk. Fujitsu hat sich verpflichtet, die Radio-Units für eine Vielzahl der Standorte in der O-RAN Town zu liefern.
Klingt wenig spannend?
Ist aber hoch interessant und hat möglicherweise weitreichende Konsequenzen für den Aufbau der Mobilfunknetzwerke in Deutschland und Europa. O-RAN, das steht für Open Radio Access Networks und damit einem neuen Standard in der Mobilfunktechnologie, bei dem es nicht um Geschwindigkeit oder Latenzen geht, sondern um offene Schnittstellen und die Komptabilität der Geräte verschiedener Hersteller*innen.
Proprietäre Systeme sind im Mobilfunk heute der Standard. Aktuelle Mobilfunktechnologie wird als eine Hard- und Software-integrierte Plattform von den Herstellern zur Verfügung gestellt. Das Ziel von Open RAN ist es, eine Radio Access Netzwerk-Lösung, basierend auf verschiedenen Herstellern und Lieferanten umzusetzen, so dass Hard- und Softwarekomponenten getrennt voneinander getauscht und weiterentwickelt werden können. Diese einzelnen Units oder Module kommunizieren dann über offenen Schnittstellen und werden mit Hilfe von Virtualisierungen zu einer Funktionseinheit verbunden. Hosting Software ermöglicht diese Komponenten zu kontrollieren, zu updaten und die Verbindung in die Cloud aufzubauen. Das verspricht eine Vielzahl von Vorteilen: mehr Auswahlmöglichkeiten bzgl. der Lieferanten, flexiblere Lösungen und neuen Raum für Innovationen.
Mehr Möglichkeiten durch Interoperabilität
Die O-RAN Alliance (Open Radio Access Alliance), der Fujitsu bereits seit ihrer Gründung 2018 angehört, will genau das erreichen. Gemeinsam mit einer Vielzahl an Partnern, zu denen auch die Deutsche Telekom gehört, wurde ein technisches Konzept erstellt, das die Interoperabilität in den Mobilfunknetzen verbessern soll. In der ersten O-RAN Town Deutschlands wurde der O-RAN Standard 7.2 umgesetzt. Zu diesem Standard gehört beispielsweise der sogenannte „Low Layer Split“ (LLS). Das bedeutet, dass die Radio Unit (RU) und die Distribution Unit (DU), die auch als Layer 1 bezeichnet werden, technisch voneinander getrennt werden.
Durch die Definition von Standards für offene Schnittstellen und durch die von der Hardware abstrahierten Netzwerkelemente entsteht so ein von proprietärer Technik unabhängiges Funkzugangsnetz. Das hat insbesondere für 5G viele Vorteile. 5G wird, anders als die bisherigen Mobilfunkstandards, mit extrem viel mehr „Dingen“ im Internet of Things kommunizieren: mit Infrastruktur, die sowohl mobil als auch stationär ist, mit Sensoren, mit Fahrzeugen, mit der Müllstandsanzeige in einem öffentlichen Mülleimer und vielem mehr. Auch die Anzahl unserer privaten Geräte steigt immer weiter. 5G realisiert dafür nicht nur große Kapazitäten und eine hohe Geschwindigkeit, sondern ermöglicht auch multiple parallele Verbindungen und geringe Latenzen.
So ist es mit 5G möglich, die reale Welt mit dem „digital Space“, der digitalisierten Welt zu verbinden. Für diesen Schritt kann jedoch technologisch nicht mehr ein zentralisiertes Netzwerk genutzt werden, wie es bei 4G und seinen Vorgängern der Fall war. Es ist notwendig, dass sich das Netzwerk, für den Fall, dass es Ausfälle gibt, neu konfigurieren kann. Wir nennen das „distributed network“, ein verteiltes Netzwerk, bei dem die Verbindung auch über andere, bisher nicht genutzte Netzknoten aufgebaut werden kann.
Der nächste Schritt für optimierte Services
Der O-RAN Standard ermöglicht es, verschiedenste Hersteller*innen, Integratoren und Anbieter*innen mit in dieses Netzwerk einzubeziehen. So stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Kommunikationsanbieter und unsere Kund*innen haben die Möglichkeit, genau die Komponenten zu integrieren, die für ihren jeweiligen Anwendungsfall optimal sind. Neben der O-RAN Alliance engagieren wir uns auf der ONAP, in der Open Ran Policy Coalition und im Open ROADM. Die Zusammenarbeit in ONAP (Open Network Automation Platform) dient der Bereitstellung einer Plattform, die in Echtzeit und entlang von vorgegebenen Richtlinien die automatisierte Verwaltung von verschiedenen Netzwerkfunktionen (physischen und virtuellen) ermöglichen soll.
So werden Software-, Netzwerk-, IT- und Cloudbetreiber*innen, ebenso wie Entwickler*innen in die Lage versetzt, neue Services automatisiert aufzusetzen und ein beständiges Lifecycle Management zu realisieren. Die Plattform wird von der Linux Foundation betrieben. In der Open RAN Policy Koalition arbeiten wir mit verschiedenen Unternehmen an Richtlinien, die die Einführung von offenen und interoperablen Lösungen in Radio Access Netzwerken gewährleisten, um so Innovationen zu fördern und die Diversität der Lieferketten zu erhöhen, insbesondere für 5G Netzwerke. Außerdem definieren wir in der Open ROADM gemeinsam Spezifikationen für ROADM Netzwerke, die Interoperabilität, Kontrolle und Management gewährleisten. Fujitsu ist hier ebenfalls seit der Gründung aktives und gestaltendes Mitglied. So garantieren wir für unsere Kund*innen Interoperabilität in jeder Situation und die beste Lösung für seinen jeweiligen Anwendungsfall.
Weitere Informationen
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Anne-Marie Tumescheit widmet sich in ihrer Rolle als Emerging Technology Consultant der Vermittlung der „Neuen Technologien“. Konkret umfasst das die Beratung und die Kommunikation zu Themen von Künstlicher Intelligenz über Blockchain bis zu Quantentechnologien. Im Mittelpunkt stehen dabei die Möglichkeiten und Chancen, aber auch Risiken und Herausforderungen in der Umsetzung. Im Bereich Quantencomputing dreht es sich für Anne-Marie vor allem um den unternehmerisch tatsächlich nutzbaren State-of-the-Art.