Dürfen wir vorstellen? Das ist Micha Pallesche, Schulleiter an der Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule in Karlsruhe. Der studierte Lehrer und Medienpädagoge befasst sich seit vielen Jahren mit modernen Lernkonzepten. Er hat im Rahmen seiner Promotion gemeinsam mit anderen Lehrkräften Medienkonzepte für interaktive Whiteboards und mobile Endgeräte entwickelt und war Mitglied des Forum Bildung Digitalisierung, das die Kultusministerkonferenz beim Prozess zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ unterstützte. Von diesem Wissen profitiert auch die Schule, die er leitet. Aufgrund ihres mehrfach ausgezeichneten medienbildnerischen Profils wurde die Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule 2017 zur ersten „Smart School“ in Baden-Württemberg gekürt.
Doch Anfang 2020 stand Micha Pallesche dann vor den gleichen Herausforderungen wie alle anderen. Innerhalb kürzester Zeit mussten nicht nur die Schüler*innen mit einer völlig neuen Situation klarkommen. Auch Schulleitungen, Lehrkräfte und Schulträger mussten in den Krisenmodus wechseln und versuchen, den Unterricht mit digitaler Unterstützung am Laufen zu halten, quasi von einem Tag auf den anderen. In nur 24 Stunden zur digitalen Schule – geht das überhaupt?
Digitales Lernen hat Vorteile – die Umsetzung ist aber noch zögerlich
Mittlerweile ist mehr als ein Jahr vergangen. Manches, das in den einzelnen Schulen improvisiert wurde, hat funktioniert. Anderes nicht. Auch Mischa Pallesche zieht eine Reihe von Lehren aus der Situation:
Doch seine Einschätzung, ob die Digitalisierung nach der Pandemie fortgeführt wird, ist eher vorsichtig:
„Ich habe die Befürchtung, dass es nach der Pandemie ein „back to the roots“ geben wird, weil die neuen Erkenntnisse noch nicht stark genug in den Köpfen der Akteure von Schulen verankert sind. Das hat mit einem Grundverständnis des Lernens und des Unterrichts in der Kultur der Digitalität zu tun und bedarf einer inneren Haltung als Lehrerin oder Lehrer. Ich glaube, dass dieser Schritt noch nicht gegangen ist.“
Aber woher kommt dieses Zögern? Was die Hardware betrifft, sind viele Schulen nun deutlich besser ausgestattet als vor der Pandemie. Und auch eine größere Zahl Lehrkräfte hat ihre Ängste und Vorbehalte gegenüber digitalen Medien schon ein Stück weit abgelegt. Doch für einen konsequenten Schritt weiter in Richtung Digitalisierung fehlt etwas. Das angesprochene Umdenken? Mut? Vielleicht auch einfach ein wenig Wissen – durch das der manchmal kompliziert wirkende Weg hin zur digitalen Schule plötzlich viel gangbarer erscheint.
Expert*innen-Interviews zur Digitalisierung in Schulen
Genau hier setzt ein Leitfaden an, den wir Ihnen heute vorstellen möchten. Wir haben uns intensiv mit einer Frage auseinandergesetzt, die im Moment sicherlich viele Schulleitungen, Lehrkräfte und Schulträger beschäftigt: Wie digitalisieren wir unsere Schulen? Herausgekommen sind gute zwanzig Seiten voller Expert*innen-Interviews, konkreter Tipps, Empfehlungen und Impulsen für die Umsetzung.
Micha Pallesche ist einer der Experten, die wir interviewt haben. Er berichtet davon, was sich durch Corona verändert hat, erläutert was die Schulleitung zur Digitalisierung beitragen kann und zeigt auf, dass Schulen mehr Freiheiten besitzen, als sie glauben. Außerdem sprachen wir zum Beispiel auch mit Dr. Christian Büttner. Der leitende Direktor des Instituts für Pädagogik und Schulpsychologie Nürnberg (IPSN) ist ebenfalls 1. Vorsitzender des Bündnisses für Bildung e.V. Seit Beginn der Pandemie hat ihn die Frage beschäftigt, wie Schulen und Schulträger an einem Strang ziehen und Lösungen Hand in Hand anbieten können.
Vor dem Digitalpakt Schule gab es für ihn vor allem digitalen Wildwuchs. Hier wurden Smartboards angeschafft, dort ein Screen, wieder woanders Tablets – eine Herausforderung für diejenigen, die die IT-Infrastruktur pflegen und die Lehrerfortbildung organisieren mussten. Doch wie lässt sich daraus etwas Steuerbares und Nachhaltiges etablieren? Seine Empfehlung: „Hier gibt es für mich zwei Grundsätze. Der erste ist: Keiner kann’s alleine. Und der zweite ist: Einfach machen! Damit meine ich nicht nur einfach loszulegen, sondern alle Beteiligten in ihrer Rolle und auf ihrem Niveau mitzunehmen.“
Fernunterricht? Hybridunterricht? Kein Problem
Neben Expert*innen-Interviews haben wir für Sie viele konkrete Tipps und Hilfestellungen zusammengestellt – zum Beispiel zum Fernunterricht, wohl DEM Thema des Jahres 2020. Um während der nach wie vor andauernden Pandemie – und auch danach – gut aufgestellt zu sein, geht es jetzt darum, eine gute Basis zu schaffen, ganz pragmatisch und praktikabel, statt immer perfekt. Wie weit ist Ihre Schule? Welche der sechs Punkte unserer Checkliste konnten Sie bereits in Angriff nehmen?
- Alle ins digitale Boot holen
Es geht nicht darum, von Anfang an die perfekte Strategie zu haben. Vielmehr sollte sie mit allen Kolleg*innen gemeinsam entwickelt werden. Denn wer sich mitgenommen fühlt, engagiert sich auch für ein Projekt. - Einfache Technik für alle bereitstellen
Für den Start benötigen Sie keine Hightech-Geräte. Viel wichtiger ist es, jedem Lehrenden und Lernenden ein digitales Endgerät mit Internetzugang bereitstellen zu können, das er oder sie gut bedienen kann. - Apps und Tools nutzen, die jede*r versteht
Wählen Sie gemeinsam Programme und Tools aus, die auf eine breite Akzeptanz stoßen und leicht erlernbar sind. Spürbare Erfolge haben klaren Vorrang vor technischer Komplexität. - Strukturen schaffen, die zum digitalen Lernen passen
Planen Sie in größeren Zeitabschnitten. Binden Sie die Handhabung der Geräte und Programme in den Unterricht ein. Sinnvoll sind Projektarbeiten in Kleingruppen, bei denen sich die Teammitglieder gegenseitig unterstützen können. - Vertrauen vs. Kontrolle: Das richtige Maß finden
Um jedem Mitglied der Klasse gerecht zu werden, bedarf es beim Fernunterricht unterschiedlicher Strategien: zum Beispiel feste Sprechzeiten, eine gemeinsame digitale Pinnwand oder der Austausch mit den Eltern. - Feedback willkommen heißen – aber mit Kultur
Ohne den persönlichen Kontakt bleiben viele Stimmungen unentdeckt. Doch es ist wichtig, diese transparent zu machen und immer wieder aktiv nach Feedback zu fragen. Dabei helfen digitale Tools wie anonyme Umfragen oder Themen-Votings.
Sie haben die Herausforderung, dass Lernende in der Schule gleichzeitig mit denen zuhause unterrichtet werden müssen? Auch das geht – Stichwort „Hybridunterricht“. Auf Seite 11 unseres Leitfadens finden Sie dafür wertvolle Tipps: „In vier Stufen zum Hybridunterricht“.
Die Rolle der Medienzentren
Nicht nur der Unterricht selbst muss an die neuen Bedingungen angepasst werden. So haben zum Beispiel die Medienzentren eine Schlüsselrolle inne. Kommunale Medienzentren versorgen Bildungseinrichtungen mit didaktischen Medien, informieren zu ihrer Anwendung und bilden die Lehrkräfte weiter. Sie sind auch gefragt, wenn es um die Ausstattung von Schulen mit Technik und Beratung zu deren Bedienung geht. Da ist es kein Wunder, dass sie seit den Corona-bedingten Schulschließungen im März 2020 gefragt sind wie nie. Der Bedarf reicht von der geeigneten Hard- und Software für Lehrkräfte und Lernende über Material für das Homeschooling bis hin zum Coaching im Thema Videokonferenz.
Durch den stark gestiegenen Digitalisierungsbedarf sind die Medienzentren mittlerweile umfassender Dienstleister für Schulentwicklung. Wir haben mit Jörg Schumacher vom Stadtmedienzentrum Karlsruhe und Dr. Peter Jaklin vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg über diese Rolle und die damit verbundenen Aufgaben gesprochen.
Digitaler Unterricht? Geht nicht – Datenschutz!
Wenn es um die digitale Schule geht, kommt auch schnell das Thema Datenschutz zur Sprache. Unterricht über Zoom, Gruppenarbeiten und Klassenchats in Microsoft Teams? Das lehnen viele Schulen und Schulträger ab – mit dem Verweis auf den Datenschutz. Vielleicht kommt Ihnen eines oder auch mehrere dieser Argumente bekannt vor:
- Die DSGVO verbietet den Einsatz von US-Anbietern wie Zoom oder Microsoft
- US-Anbieter ermöglichen Ermittlungsbehörden den Zugriff auf persönliche Daten
- Live-Kommunikation im Fernunterricht ist datenschutzkonform unmöglich
- Damit Schulen den gesetzlichen Datenschutzanforderungen gerecht werden können, müssen sie extra Expert*innen einstellen
Wir räumen mit diesen Mythen auf. Erfahren Sie mehr im Leitfaden auf Seite 16.
Was Sie noch erwartet
Wer sich weiterentwickeln möchte, ist auf Austausch angewiesen – da geht es Lehrer*innen genauso wie Schulen und Schulträgern. Eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Methode sind digitale Netzwerke. Das vielfältige Angebot reicht von den offiziellen Angeboten von Bündnissen und Organisationen bis hin zu organisch gewachsenen Gruppen auf den sozialen Kanälen. Wir stellen in unserem Leitfaden ein paar Möglichkeiten vor.
Das gleiche gilt für das Thema Fort- und Weiterbildung. In einem Interview spricht Silke Weiß, Bildungsinnovatorin und Leiterin der LernKulturZeit Akademie davon, wie von- und miteinander Lernen auch länderübergreifend geht und wie in den letzten Jahren Vielfalt und Vernetzung von Bildungsangeboten zugenommen haben – auch dank digitaler Möglichkeiten.
Natürlich geben wir auch Empfehlungen für die optimale Hard- und Software, vom Rechner bis hin zur Kollaborationslösung für die virtuelle Zusammenarbeit. Und von A wie Access Points bis Z wie Zugangskontrolle zeigen wir Ihnen, wie die passende Infrastruktur für die digitale Schule aussieht und was Sie benötigen.
Übrigens: Den Leitfaden gibt es in einer individuellen Version für jedes der sechzehn Bundesländer. Neben den allgemeingültigen Informationen und Hinweisen finden Sie dort Informationen zu speziellen Förderprogrammen, Förderrichtlinien für digitale Bildung und Richtlinien für Software und Cloud-Lösungen – speziell für Ihre Region.
In 24 Stunden zur digitalen Schule
Haben wir Ihre Neugierde geweckt? Hier geht’s zum Leitfaden: „In 24 Stunden zur digitalen Schule?„. In der PDF-Datei finden Sie viele weitergehende Informationen zu allen hier angesprochenen Themen – und noch vieles mehr. Eins können wir Ihnen schon jetzt verraten: 24 Stunden reichen natürlich nicht, um eine Schule komplett digital aufzustellen. Aber mit den richtigen Informationen ist der Weg zum Ziel deutlich einfacher, als er anfangs vielleicht erscheinen mag.
Kim-Natalie Cizek ist Marketing Managerin bei Fujitsu. Digitale Bildung und New Work sind die Themen, die sie besonders interessieren. In ihrem Arbeitsalltag begleitet sie der Satz: Mit einem offenen Geist ist alles möglich.