Applikationsmodernisierungen sind oft herausfordernd, obwohl es klare technische Konzepte gibt. Der Grund für diese Schwierigkeiten liegt nicht nur in der Technik, sondern auch in organisatorischen Aspekten und dem Projektmanagement. Der Mensch bleibt der entscheidende Faktor für den Erfolg. Hier sind zehn häufige Fehler bei der Modernisierung von Anwendungen und Tipps, wie man sie mit einem holistischen Ansatz vermeiden kann.
1. Unklare Vision und Zielsetzung
Viele Unternehmen beginnen Modernisierungsprojekte ohne klare Vision. Mitarbeiter*innen starten engagiert mit der Ausarbeitung von Konzepten oder Prototypen. Ohne klare Richtung lassen sich die Ergebnisse jedoch nicht zu einem „großen Ganzen“ zusammenfügen, weisen Lücken auf oder gehen nicht in die gewünschte Richtung. Früher oder später stellt sich Ernüchterung ein, die zu mangelnder Motivation und unzureichendem Fortschritt führt.
Formulieren Sie ihre Hauptziele und leiten Sie Teilziele ab. Vermeiden Sie eine Vermischung von Teilzielen und konkreten Meilensteinen oder einer Roadmap. Sorgen Sie dafür, dass alle Anforderungen und Aktivitäten aus mindestens einem der Teilziele abgeleitet werden können. So schaffen Sie zu jedem Zeitpunkt und auf jeder Ebene ein klares Verständnis über Kontext und Priorität jeder Aufgabe und geben Mitarbeiter*innen die Chance, über den Tellerrand hinauszusehen.
2. Fehlende Stakeholder-Einbindung
Die Modernisierung geschäftskritischer Anwendungen betrifft zahlreiche Bereiche einer Organisation. Werden die Stakeholder nicht frühzeitig oder unzureichend in den Prozess eingebunden, können Konflikte, unklare Zuständigkeiten und der Bedarf an nachträglichen Anpassungen entstehen. Dies führt zu längeren Projektlaufzeiten, sinkender Motivation der Beteiligten und steigenden Kosten.
Analysieren Sie alle Bereiche, auf die sich die Applikationsmodernisierung auswirkt: Planen Sie den Umstieg auf eine verteilte Architektur? Denken Sie an den Deployment- und Updateprozess, das Konfigurationsmanagement und die damit verbundenen Auswirkungen auf Datenschutz, IT-Sicherheit und Desaster Recovery.
Identifizieren Sie alle Stakeholder und binden Sie sie aktiv in die Formulierung der Anforderungen und in regelmäßige Reviews ein.
3. Wissenslücken im Team
Viele alte Systeme sind lückenhaft dokumentiert und wertvolles Wissen geht verloren, wenn Schlüsselpersonen in den Ruhestand gehen oder das Unternehmen aus anderen Gründen verlassen.
Stellen Sie sicher, dass Sie vor der Modernisierung den Status Quo genau erfassen und Wissenslücken schließen. Ist die Dokumentation der Software auf dem neuesten Stand? Gibt es technische Schulden oder Bereiche in der Software, die den Entwicklern Kopfzerbrechen bereiten?
Machen Sie eine gründliche Bestandsaufnahme und setzen Sie Werkzeuge ein, die das Wissen in Köpfen und auf Papier mit der Realität in Form des Quellcodes zusammenbringen.
4. Unpassende Methodik
Gerne wird eine technische Modernisierung zum Anlass genommen, die Entwicklungsmethodik ebenfalls zu überdenken. Ob sequenziell, inkrementell oder hybrid – die Wahl der Methodik muss auf das Unternehmen und das Projekt abgestimmt sein.
Überlegen Sie, auf den agilen Zug aufzuspringen und damit auf Pflichtenhefte und langfristig angelegte Konzepte zu verzichten und Entscheidungsverantwortung zu verschieben?
Management und Belegschaft müssen einen Teil ihrer Gewohnheiten über Bord werfen, um eine neue Methodik wirklich zum Erfolg zu bringen. Dies gelingt nicht über Nacht und Schulungen reichen nicht aus. Überlegen Sie, externe Expert*innen mit ins Boot zu holen, die ein gemeinsames Verständnis herstellen und Feinheiten in den Arbeitsprozessen herausarbeiten können, um die Methodik optimal auf Ihre Ziele zuzuschneiden.
5. Fokussierung auf technische Details
Technische Aspekte wie Architektur und Datenmigration spielen in der Modernisierung eine wichtige Rolle. Viel wichtiger ist allerdings die Ausarbeitung eines fachlichen und technischen „Big Pictures“ mit der Fokussierung auf die Geschäftsziele und die dafür notwendigen fachlichen Prozesse.
Eine Applikationsmodernisierung hat gute Gründe. Eine Umstrukturierung, Verlagerung oder Neuimplementierung wird in Angriff genommen, weil technische oder fachliche Prozesse nicht mehr effizient umgesetzt oder verbessert werden können. Konzentrieren Sie sich bei der Modernisierung auf die Fachlichkeit und überlegen Sie dann, welche technischen Möglichkeiten existieren, um diese optimal umzusetzen. Die Arbeit an technischen Details ist für Architekt*innen und Entwickler*innen ein großer Motivator, darf aber die Ziele nicht aus den Augen verlieren. Überprüfen Sie regelmäßig, ob sich alle Aktivitäten an den Geschäftszielen und dem Kundennutzen orientieren.
6. Mangelnde Testabdeckung und unzureichende Teststrategien
Eine umfangreiche Testabdeckung des Bestandssystems und eine stetige Aktualisierung während der Modernisierung sind das „A und O“ der Modernisierungsarbeiten.
Denken Sie immer daran: Eine gute Testabdeckung ist das einzige Fundament, auf dem die Weiterentwicklung Ihrer Applikation korrekt, risikoarm und nachhaltig durchgeführt werden kann. Sorgen Sie für eine Abdeckung durch automatisierte Tests, die bereits in der Entwicklungsphase die Korrektheit der Implementierung absichern.
Entwickeln Sie eine Strategie, wie automatisierte und manuelle Tests in der Modernisierung weiterverwendet oder adaptiert werden können. Behalten Sie dabei auch die parallele Weiterentwicklung der Applikation im Auge.
7. Fehlende Codeanalyse
Der Quellcode ist oftmals die einzige, wirklich verbindliche Quelle zur Beschreibung der Fachlichkeit eines Softwaresystems.
Sorgen Sie für eine gründliche Analyse des gesamten Anwendungscodes. Ermitteln Sie Hotspots: Welcher Code wird zur Laufzeit am häufigsten verwendet? Welcher Code wird in der Entwicklung häufig verändert? Welche Daten fließen zwischen den Anwendungsteilen? Werden Entwurfsmuster sauber verwendet und sind Implementierungsvorgaben sauber umgesetzt? Welche externen Schnittstellen existieren und welche sind in der Modernisierung fest oder veränderbar?
Die Auswahl geeigneter Werkzeuge und Prozesse ist entscheidend, um die Anwendung langfristig effizient zu betreuen und Risiken zu minimieren.
8. Keine belastbaren Zahlen
In vielen Projekten fehlen belastbare Kennzahlen, die den Rahmen der Modernisierung bilden: Antwortzeiten des Systems, Mengengerüst der Daten, Datenfluss innerhalb des Systems und an seinen Schnittstellen.
Machen Sie sich früh ein Bild davon, welche nicht-funktionalen Anforderungen für Ihre Systeme gelten und halten Sie diese in Metriken und KPIs fest. Ist die Systemlast über die gesamte Zeit konstant? Gibt es Lastspitzen, die eine dynamische Skalierung ermöglichen oder erfordern? Welche Ausfallzeiten sind erträglich? Planen Sie Datenmodelländerungen und haben Sie die notwendigen Kapazitäten berücksichtigt? Wie garantieren Sie Antwortzeiten?
9. Ignoriertes Nutzerfeedback
Proof of Concepts (POCs) und Minimum Viable Products (MVPs) helfen, die Machbarkeit zu prüfen und echtes Benutzerfeedback zu sammeln, um die Entwicklung zu steuern und die Stakeholder noch mehr in die Modernisierungsaktivitäten einzubinden.
Verlieren Sie die Nutzer*innen nicht aus dem Blick. Sorgen Sie unabhängig vom Projektvorgehen dafür, dass Sie kontinuierliches Feedback erhalten. Nur so können Sie Fehlentscheidungen vermeiden und dafür sorgen, dass alle „im selben Boot sitzen“.
10. Unzureichendes Change Management
Ein fehlendes Change Management kann zu Widerstand und Demotivation führen.
Bereiten Sie alle Beteiligten auf Veränderungen vor und beziehen Sie sie aktiv in den Prozess mit ein. Sorgen Sie für Transparenz: Warum ist die Modernisierung erforderlich? Welche Chancen ergeben sich daraus? Denken Sie dabei nicht nur an die fachliche Arbeitsebene und die Entwicklung. Beziehen Sie das Management aktiv mit ein und sorgen Sie so für Nachhaltigkeit und Akzeptanz auf allen Ebenen.
Starten Sie Ihre Modernisierungsreise jetzt
Applikationsmodernisierungen sind komplex und fehleranfällig. Umso wichtiger ist es, sich frühzeitig mit einem erfahrenen Partner zusammenzuschließen, um von bewährten Praktiken und Erfahrungen aus der Praxis zu profitieren. Die holistische Modernization von Fujitsu bietet einen ganzheitlichen Modernisierungsservice, welcher Risiken und Kosten minimiert, und eine unterbrechungsfreie Umsetzung ermöglicht. Mit dem House of Modernization berücksichtigen wir die Aspekte Mensch, Prozesse und Technologie und bringen sie in Einklang.
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Wolfgang Vullhorst ist Business Consultant und Lead Architect im Bereich Modernization bei Fujitsu. Sein Fokus liegt auf der Modernisierung von Mainframe-Architekturen. Er sorgt dafür, dass das Vorhaben ganzheitlich betrachtet wird und den Faktor Mensch nicht außen vor lässt. Er begleitet Kunden von der Planung bis hin zur konkreten Umsetzung und nimmt dabei alle Beteiligten mit auf die Reise. Seine Themenschwerpunkte „Solution Architektur“ und „Agile Methoden“ ermöglichen es ihm, jederzeit die Details im Blick zu haben und auf Augenhöhe mit Experten zu diskutieren.