Überlegen Sie mal – wie viele Fahrzeuge mit einem E am Ende des Kennzeichens sind Ihnen bei Ihrer letzten Fahrt mit dem Auto begegnet? Sicherlich waren es einige. Elektroautos sind mehr und mehr Teil unseres Straßenbildes. So wurden alleine zwischen Januar und März 2024 etwa 111.000 neue E-Autos in Deutschland zugelassen. Insgesamt sind es rund rund 1,5 Millionen.
Ganz so viele Elektro-LKW sind auf unseren Straßen noch nicht unterwegs. Doch auch ihre Zahl wächst. So gab es Anfang 2024 fast 79.000 LKW mit elektrischem Antrieb – und die Hersteller bringen weitere auf den Markt. Volvo Trucks hat zum Beispiel mittlerweile sechs Elektro-LKW-Modelle im Programm. Ein neues, speziell für Transportaufgaben im städtischen Bereich gedachtes Fahrzeug soll es sogar nur mit Elektroantrieb geben. Doch trotz dieser Entwicklungen wird ein Großteil der LKW weiterhin mit Diesel betrieben. Das liegt nicht allein an den Anschaffungskosten neuer Fahrzeuge – viele Unternehmen schrecken vor den Herausforderungen zurück, die Elektromobilität im Transportwesen und dort vor allem auf der Mittel- bis Langstrecke mit sich bringt.
Zu wenige Ladesäulen für eine effiziente E-Flotte
Das beginnt schon bei der Einführung einer E-Flotte. Es gibt nach wie vor viel zu wenige LKW-Ladesäulen. Was schon auf der Kurzstrecke zu Problemen führt, bekommt auf der Mittel- oder gar der Langstrecke noch einmal völlig neue Dimensionen. Es ist allerdings keine Lösung, möglichst viele Ladesäulen wahllos in der Gegend zu verteilen. Sie müssen vielmehr zu den Bedürfnissen und Anforderungen der E-LKW passen – sowohl der Abstand zwischen den einzelnen Ladepunkten als auch deren Standort.
Den Tank eines Diesel-LKW zu befüllen, dauert etwa zehn Minuten. Fahrer*innen können einen solchen Stopp einfach zwischendurch einlegen und sind schnell wieder auf der Straße. Das Laden an einer Ladesäule dauert hingegen deutlich länger und oft genug müssen Umwege von der eigentlichen Strecke in Kauf genommen werden. Bei der engen Zeittaktung, die im Speditions-Bereich herrscht, kann das zu einem Problem werden. Wer kann es sich schon leisten, LKW und Fahrer*innen einfach längere Zeit irgendwo ungenutzt herumfahren und -stehen zu lassen?
Die optimalen Standorte für Ladesäulen identifizieren
Genau aus diesem Grund sollten sich die Ladesäulen möglichst dort befinden, wo LKW und Fahrer*innen eh länger verweilen. So bieten sich Rastanlagen an. Während der Mensch eine Pause macht und vielleicht etwas isst, kann das Fahrzeug ebenfalls aufladen. Oder denken Sie an die Standorte von Kund*innen oder zentrale Lager – dort werden die Fahrzeuge be- und entladen, organisatorische Dinge … alles Zeiten, in denen der LKW steht. Warum also nicht diese für den Ladevorgang nutzen?
LKW einfach Auto-Ladesäulen mitnutzen zu lassen, ist in den meisten Fällen leider auch keine Lösung. Oft sind die Stecker unterschiedlich. Und selbst wenn diese passen, benötigen die LKW aufgrund ihrer größeren Batterien viel höhere Ladeleistungen für eine Ladung in akzeptabler Zeit. Ein ganz pragmatischer Grund ist auch der an vielen Ladesäulen nur begrenzt zur Verfügung stehende Platz. Stellen Sie sich einen LKW vor, der gleich zehn PKW-Ladeplätze blockiert, weil er quer auf den Stellplätzen parken muss, um nicht in die daneben befindliche Straße zu ragen. Viele Säulen stehen zudem so, dass es für einen LKW schlicht unmöglich ist, zu ihnen zu gelangen: Auf engen Parkplätzen, in Parkhäusern oder Tiefgaragen, in Höfen mit zu niedrigen Durchfahrten …
Die Lösung: die Fujitsu Optimization Platform for Fleets
Es liegt nahe, Technologie für die Lösung dieser Problematik einzusetzen. Sie kann die ideale Verteilung von Ladesäulen ausrechnen – etwas, was einen Menschen ein Vielfaches an Zeit kosten würde. Allerdings gibt es bisher nur wenige Lösungen, die die Besonderheiten von E-Mobilität berücksichtigen. Eine davon ist die Optimization Platform for Fleets von Fujitsu, eine Kollaboration mit der Software-Firma Autofleet. Zwar ist diese bisher primär für die Kurzstrecke im Einsatz – doch mit den entsprechend angepassten Daten als Grundlage lässt sich das vorhandene Wissen leicht auf die Mittel- bis Langstrecke übertragen.
Der zur Lösung gehörende EV-Simulator hilft dabei, die Einführung einer Elektro-Flotte zu planen. Er nutzt dafür die Digital-Twin-Technologie, welche eine digitale Abbildung (eines Teils) der Mobilitätswelt erstellt, in dem in Echtzeit reale Daten aus Fahrzeugen und deren Umgebung gebracht werden. Mehr zum Mobility Digital Twin erfahren Sie übrigens in diesem Interview und in unserem Beitrag zu möglichen Einsatzszenarien.
Die ideale Verteilung – und mehr
Die so zur Verfügung gestellten Daten werden dann analysiert und als Grundlage für Vorhersagen genutzt. Im vorliegenden Fall steht am Ende die optimale Flotten-Elektrifizierung bzw. die Konfiguration der dafür benötigten Infrastruktur. Dazu bezieht der Simulator eine Vielzahl von Daten ein:
- Bedarfs-/Betriebsdaten: Verkehrslage, Klima und Wetter, Telematik- und Fahrinformationen, Auftragsinformationen & Schätzungen
- Informationen zu vorhandenen Ladestationen: Anzahl der Stationen, Standort, Ladetyp, Verfügbarkeit & Ausfallzeit, Lebenszyklus
- Fahrzeug-Informationen: Modell, Batterielebensdauer, Anzahl der Fahrzeuge
- Finanzen / Nachhaltigkeitskennzahlen: Fahrzeugkosten, Installationskosten, Wartungskosten, Emissionsgutschriften
Neben der Übersicht, an welchen Stellen die Aufstellung von Ladesäulen sinnvoll ist, liefert der Simulator viele wichtige Zahlen und Statistiken zur Flotte: Wie viele Touren wurden gefahren? Welcher Prozentsatz der Fahrzeuge ist elektrifiziert? Wie sieht der monatliche TCO-Breakdown aus?
Die optimale Route für jedes einzelne Fahrzeug
Doch die Herausforderungen enden nicht nach der Einführung einer E-Flotte. Die optimierte Tourenplanung ist schon für „normale“ LKW-Flotten keine triviale Angelegenheit. Handelt es sich dann um Elektro-Fahrzeuge, kommen noch einmal ein paar besondere Aspekte dazu.
Die grundlegende Frage ist in beiden Fällen gleich: Wie sieht die optimale Route für jedes einzelne Fahrzeug aus? Optimal kann dabei vieles heißen: der geringste CO2-Ausstoß, der schnellste Weg, die niedrigsten Betriebskosten, die kürzeste Strecke für die größtmögliche Zahl an Stopps … Und wie lassen sich Touren möglichst effizient spontan anpassen, wenn es zum Beispiel zu Staus, Streckensperrungen oder neuen Haltepunkten kommt? Wann ist der beste Zeitpunkt für Wartungsarbeiten? All diese Fragen stellen sich sowohl für Diesel- als auch für Elektro-LKW.
Dynamic Dispatching für Anpassungen in Echtzeit
Antworten gibt auch hier die Optimization Platform for Fleets von Fujitsu. Die Plattform ermöglicht eine optimierte Routenplanung, die flexibel und in Echtzeit auf Veränderungen reagiert – das so genannte Dynamic Dispatching.
Jedes Fahrzeug wird einem Fahrer bzw. einer Fahrerin und den zu liefernden Gütern zugeordnet und erhält eine auf die individuell festlegbaren Kriterien hin optimierte Route. Durch das Live Tracking aller Fahrzeuge ist im Control Center zu jeder Zeit ersichtlich, wer sich wo befindet. Kommen kurzfristig neue Stopps hinzu, werden diese eigeplant und demjenigen Fahrzeug zugewiesen, das sich für die Ausführung am besten eignet. Informationen zu Sperrungen, Staus und der generellen Verkehrslage werden ebenfalls in Echtzeit einbezogen und in den Berechnungen der Routen berücksichtigt. Dabei kann sich die verbleibende Route eines Fahrzeugs immer wieder vollständig ändern – je nachdem, welche Strecke nun optimal ist. Das lässt sich für Fahrten im Stadtgebiet nutzen – aber natürlich auch für die Mittel- bis Langstrecke.
Die Daten für diese Berechnungen stammen aus bereits bestehenden Systemen und weiteren externen Quellen. Sie kommen mittels verschiedener APIs im „Integration Hub“ zusammen.
Elektro-LKW und die spontane Anpassung von Touren
Handelt es sich bei den Fahrzeugen um eine Elektro-Flotte, kommt die Frage hinzu, welchen Einfluss die Reichweite und die zur Verfügung stehenden Lademöglichkeiten auf die Touren haben. Wenn es zum Beispiel neue Stopps oder einen Stau gibt, der umfahren werden muss – ist das möglich? Reicht die Restreichweite der Batterie? Falls nicht, wo gibt es Ladesäulen? Und ist der Ladevorgang zeitlich möglich?
Spannend wird es auch, wenn die Flotte sowohl aus dieselgetrieben als auch aus E-Fahrzeugen besteht. Welche Mischung aus diesen beiden Antriebsarten ist für das jeweilige Unternehmen und seine Einsatzzwecke optimal? Wie sollte die Ladung auf die Fahrzeuge aufgeteilt werden? Wie lassen sich die Elektro-LKW genauso effizient betreiben wie die Diesel-Fahrzeuge? All diese Bedingungen und Fragen lassen sich mit der Optimiziation Platform for Fleets berücksichtigen.
Immer aktuell: Die Driver App
Doch wie bekommen die Fahrer*innen der einzelnen Fahrzeuge – egal ob Elektro oder Diesel – die Informationen zu ihrer aktuellen Tour? Ganz einfach: per Driver App auf ihrem Smartphone. Die App dient der Navigation und der Meldung erfolgter Lieferungen – egal ob auf der Kurz-, der Mittel- oder der Langstrecke. Sie ermöglicht aber auch die Meldung von Problemen wie eines geplatzten Reifens oder eines Unfalls. Analog zu den Daten im Control Center aktualisieren sich auch in der Driver App alle Informationen in Echtzeit.
Ein Proof of Concept mit einem der größten Transportunternehmen Japans hat gezeigt, wie gut die Lösung in der Praxis funktioniert. Für ein klar definiertes Gebiet sollte das Ziel von 1.200 Lieferungen am Tag erreicht werden. Bei den Lösungen der Mitbewerber wurden dafür 60 bis 70 Fahrer*innen benötigt. Bei unserer Lösung nur 34. Auch ein Projekt mit einem asiatischen Lebensmittel-Lieferdienst mit 8.000 Fahrzeugen verlief erfolgreich. Das Ziel war es, effizienter zu werde und eine höhere Kundenzufriedenheit zu erreichen. Am Ende des Projektes lag die Lieferzeit um 15 % niedriger als zu Beginn. Das Ergebnis: Die Kund*innen erhielten ihre Bestellungen früher und waren zufriedener.
Automated Servicing: Auszeiten dann einplanen, wenn sie am besten passen
Eine möglichst effiziente Routenplanung ist aber nur ein Baustein für ein erfolgreiches E-Flotten-Management. Gute Vorhersage zu treffen und darauf basierend den Einsatz von Fahrzeugen oder ihre Inspektionen zu planen, ist ein weiterer. Mit der Fujitsu Optimization Platform for Fleets und dem Automated Servicing ist auch das möglich.
Beim Automated Servicing werden die Wartung, die Reinigung, die Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen, das Tanken von Diesel-LKW etc. auf der Basis der Tourenplanung automatisch terminiert und durchgeführt. Damit werden die Fahrzeuge zu einem passenden Zeitpunkt „aus dem Verkehr“ gezogen, der die effiziente Tourenplanung möglichst wenig beeinträchtigt. So kann beispielsweise ein Elektro-LKW dann geladen werden, wenn der Akku zwar noch 30 % Restreichweite besitzt, der LKW aber wegen fehlender Waren eh erst in drei Stunden wieder im Einsatz ist. Situationen, in denen das Fahrzeug mitten in einer Tour mit nur 5 % Restreichweite schnellstmöglich eine Ladestation aufsuchen muss, lassen sich so vermeiden.
Optimized-EV-Charging für einen optimierten Ladeplan
Mit dem Optimized-EV-Charging ermöglicht die Lösung außerdem die Erstellung eines optimierten Ladeplans. Dieser hält die Balance zwischen einer effektiven Lieferplanung und der Berücksichtigung verschiedener Parameter beim Laden der Batterien. So sind Ladesäulen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich ausgelastet, der Strom kostet unterschiedlich viel, die Entfernung der Säule muss zur verbleibenden Restreichweite passen und manche Ladepunkte haben einen höheren Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien als andere. All das wird, je nach individuellen Präferenzen, berücksichtigt. Für die Zukunft ist außerdem ein Feature für ein optimiertes Batteriemanagement geplant, um die Haltbarkeit der Batterien zu maximieren.
Seine Stärken konnte das Automated Servicing auch im Rahmen einer digitalen Kollaboration mit dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), der niederländischen Consulting Firma Arcadis und der britischen Elektrizitätsfirma National Grid ausspielen. Hier kam die Optimization Platform for Fleets zum Einsatz, um die Realisierung eines CO2-neutralen Transportes voranzutreiben. Zu diesem Zweck teilten die beteiligten Unternehmen die Daten, die ihnen zu Elektro-Fahrzeugen vorlagen, miteinander. Das Ergebnis: Die CO2-Emissionen können durch die Nutzung grüner Energie um mehr als 15 % reduziert werden.
Es gibt noch viele Herausforderungen – aber auch Lösungen
Auch wenn die Zahl der Elektro-LKW weiterhin wächst: Es warten noch einige Herausforderungen auf dem Weg zu einem flächendeckenden Einsatz. Diese beginnen schon bei der Einführung einer E-Flotte und der Frage, an welchen Stellen optimalerweise Ladesäulen stehen müssen. Sie umfassen aber auch den laufenden Betrieb und die Tourenplanung: Wie hoch ist die jeweilige Reichweite? Wie lange dauert es, bis die Batterie einen akzeptablen Ladestand erreicht? Wie lässt sich der Vorgang am effizientesten in den laufenden Betrieb einfügen? Wir haben viele dieser Fragen im vorliegenden Beitrag aufgeworfen.
Wir haben aber ebenfalls aufgezeigt, wie Technologie – und insbesondere die Optimization Platform for Fleets von Fujitsu – bei der Beantwortung dieser Fragen helfen kann und wie es möglich ist, zukunftsweisende E-Flotten effizient zu nutzen. Viele Aspekte sind auf der Kurzstrecke bereits gut erprobt und müssen nur noch auf die Mittel- bis Langstrecke übertragen werden. Andere sind für Diesel-LKW bewährt und benötigen nur kleine Anpassungen für die Nutzung durch Elektro-LKW. Sie sehen: es sind nur noch ein paar kleine Schritte hin zu einem umweltbewussteren Transportwesen. Lassen Sie uns diese Schritte gemeinsam gehen – sprechen Sie uns einfach an.
Sascha Westermann ist Business Development Manager bei Fujitsu. Er interessiert sich für Mobilität, Verkehr und Transport sowie die ganzheitliche Optimierung im Bereich von Hafen- und Logistikabläufen. Privat reist er sehr gerne, um Land und Leute kennenzulernen.