Geteilte Führungsposition: „Wir ergänzen uns super, weil wir total unterschiedlich sind“

In den letzten Wochen hatten wir im Rahmen einer kleinen Interview-Serie bereits Gelegenheit, mit Dr. Christina Eleftheriadou und Dr. Nicole Günzing über ihre Karrierewege bei Fujitsu zu sprechen. Sie haben uns spannende Einblicke in ihren Arbeitsalltag gegeben und Tipps für Nachwuchs-Führungskräfte verraten.

Im dritten Teil der Serie haben wir heute gleich zwei Interviewpartnerinnen auf einmal: Cornelia Kühling (links im Bild), Head of Optimization & Support Service Central Europe, und Georgia Wessing (rechts), Head of Optimization & Support Service Central Europe und Head of Platform Solution Architects – Application Services. Die beiden Frauen arbeiten im Tandem – sie teilen sich seit mehr als einem Jahr erfolgreich eine Führungsposition. Im Interview sprechen sie darüber, wie es zu dieser Konstellation gekommen ist, welche Vorteile sie in dem Konzept sehen – und warum Frauen und IT hervorragend zusammenpassen.

Hallo Georgia, hallo Cornelia – schön, dass wir heute sprechen. Wie waren die letzten Wochen und Monate für Euch?

Georgia: Langsam wird es wieder besser. Meine Kinder sind ja schon etwas älter (12 und 14) und waren in den letzten Wochen dank Homeschooling gut versorgt. Die Zeit davor war aber hart. Der Jüngere bekam mit der Zeit einen Lagerkoller, er vermisste seine Freunde sehr. Manche Lehrer sind toll mit der veränderten Situation umgegangen, andere haben sich nicht sehr angestrengt und da sank die Motivation dann leider doch schnell. Gerade sind Ferien bei uns in NRW, doch bald geht es wieder los – so wie es aussieht mit dem normalen Betrieb.

Cornelia: Ich bin gerade einfach nur heilfroh über unser Job-Sharing. Ich teile mir ja mit Geo eine Führungsaufgabe. Und ganz ehrlich, eine bessere Zeit als jetzt gibt es dafür gar nicht. Mit den Kindern, meine sind ja erst zwei und vier, könnte ich meine Aufgaben nicht stemmen, wenn ich in der Führungsaufgabe alleine wäre. Mein Mann arbeitet nicht von zuhause aus, zu Beginn des Lockdowns hatte ich die beiden also den ganzen Tag alleine zu versorgen. Ich habe versucht, so gut es geht die Randzeiten zu nutzen, also morgens und abends oder wenn der Kleine mal schlief. Einmal in der Woche, an unserem Tandem-Überlappungstag, blieb mein Mann dann zuhause, um mir den Rücken frei zu halten. Aber hätte ich nicht gewusst, dass Geo da ist, wäre der Stresslevel deutlich höher gewesen. Mittlerweile hat sich die Situation etwas entspannt, die Kita hat wieder geöffnet und die Großeltern helfen auch mit.

Nachdem wir das Arbeiten im Tandem jetzt ja auch schon seit mehr als einem Jahr machen, sind wir da einfach ein eingespieltes Team. Mir hilft das gerade jetzt sehr. Und ich finde das Konzept echt gut. Man hat immer eine abgesicherte Meinung, zu zweit ist es einfacher, Lösungen zu finden und wir ergänzen uns super, weil wir total unterschiedlich sind.

Was macht Euch denn so unterschiedlich? Erzählt doch mal ein bisschen von Euch.

Georgia: Ich bin seit vielen Jahren bei Fujitsu. Aber vielleicht fang ich früher an: Meine Familie ist zu DDR-Zeiten in den Westen geflüchtet. Nach dem Realschulabschluss bin ich auf ein Wirtschaftsgymnasium gegangen und habe dort mein Abitur gemacht. Durch meinen Schwager und Freunde kam ich damals erstmals mit Computern in Berührung und fand sie spannend. Außerdem war ich experimentierfreudig.

Da ich aus einer Familie mit 5 Kindern komme war klar, dass für die weitere Ausbildung nur etwas in Frage käme, bei dem ich mein eigenes Geld verdienen kann. Ich habe mich bei der heutigen Fujitsu TDS für ein duales Studium der Wirtschaftsinformatik beworben – und hatte das irre Glück, einen der begehrten Plätze zu ergattern. Damals kamen auf drei ausgeschriebene Stellen über 100 Bewerbungen! Da ich immer gerne zur Schule gegangen bin, war das verschulte Studium für mich ideal. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass mir die Informatik genauso liegt wie wirtschaftlichen Themen. In den Praxisphasen konnte ich in unterschiedliche Unternehmensbereiche reinschnuppern. Ich wollte lieber selber tüfteln und habe mich daher nach dem Studium für den damals noch kleinen und neuen Client / Server Bereich entschieden. Nach und nach wuchs der Bereich und ich habe mehr und mehr Projektarbeit übernommen. Im Laufe der Zeit kam auch kontinuierlich mehr Themenverantwortung dazu.

Durch die Kinder habe ich dann zwischendurch jeweils ein Jahr pausiert und bin in 50 % wieder eingestiegen. Da hab ich gespürt, wie schnelllebig die IT ist und wie schnell man den technischen Anschluss verliert. Dadurch wurden meine Aufgaben nach und nach organisatorischer, lösungsorientierter und irgendwie breiter. Ungefähr zu der Zeit kam auch mein damaliger Bereichsleiter auf mich zu und eröffnete mir, dass ich für My Future [Anmerkung der Redaktion: eines der Talentprogramme bei Fujitsu] nominiert wurde. Das Programm war sehr gut und hat mir wirklich geholfen, das Thema Führung für mich zu reflektieren. Leider gab es erst einmal lange keine Möglichkeit, eine Führungsaufgabe zu übernehmen, weil es damals aus dem Homeoffice heraus einfach nicht vorstellbar war. Also habe ich Projektverantwortung sowohl für interne als auch externe Projekte auf unterschiedlichen Leveln übernommen.

Irgendwann bekam ich dann doch die Chance zu zeigen, dass Führung auch aus dem Homeoffice heraus funktioniert und habe mit 30 Wochenstunden Arbeitszeit ein Team übernommen und gezeigt, dass das geht. Manche Dinge brauchen wohl einfach ihre Zeit. Das Tandem kam schließlich durch eine Organisationsänderung zustande, durch die ich eines meiner beiden Teams abgeben musste. Da ich noch freie Kapazitäten hatte, entstand die Idee mit dem Tandem in einem neuen zweiten Team. Wie bereits erwähnt, ergänzen wir uns im Tandem wirklich gut. Conny deckt eher das internationale, globale und die Marketingseite ab, ich bin tiefer in der Technik. Ich kenne die Prozesse und Abläufe in der Fujitsu TDS sehr gut und Conny ist einfach im Konzern „großgeworden“.

Cornelia, wie war das bei dir?

Cornelia: Ich stamme aus einer Beamtenfamilie, vor mir hatte keiner studiert. Aber irgendwie hat sich das für mich so ergeben und so war ich plötzlich die erste Akademikerin in der Familie. Dass es BWL geworden ist, lag wohl eher an meiner eigenen Unsicherheit. Architektur hätte mich gereizt, aber ich habe mir das schlicht nicht zugetraut. Dass man an seinen Aufgaben wächst, wusste ich damals noch nicht. Das habe ich erst später rausgefunden.

Während des Studiums habe ich ein Praktikum bei Fujitsu Siemens Computers gemacht, obwohl ich keine Ahnung von Technik hatte. Nenn es Eingebung: Am Abend vor dem Bewerbungsgespräch ließ ich mir von meinem damaligen Freund, der übrigens heute mein Mann ist, noch schnell erklären, wie die Anschlüsse am PC heißen. Und genau das kam am nächsten Tag im Bewerbungsgespräch vor. Mein Wissen hat wohl beeindruckt und ich hatte den Praktikumsplatz. Aus der Praktikumsstelle wurde im Anschluss ans Studium eine Anstellung im Produktmanagement und es wurde immer technischer. Aber diese Schnittstelle war für mich ideal. Angefangen habe ich im Consumer-Umfeld, später waren es Business Clients.

Und dann kam die große Chance: Ich durfte an unseren Standort in Sunnyvale, USA, gehen, um dort zu unterstützen. Das war wirklich eine großartige Erfahrung. Und ein echter Push für die Karriere. Zurück aus den Staaten übernahm ich erst eine Support-Funktion in der Vertriebsorganisation, bald danach eine Führungsaufgabe und schließlich eine Bereichsleitung.

Irgendwann kam die Geburt meines ersten Kindes. Nach zwei Monaten war ich wieder aus der Elternzeit zurück – eine echte Herausforderung. Bald darauf kam mein Sohn und obwohl ich den Stress nicht wieder so wollte, war ich mir auch ganz klar darüber, dass ich das, was ich mir erarbeitet hatte, nicht einfach so aufgeben wollte. Ich wollte zurück in eine Führungsaufgabe, aber eben mit etwas reduzierter Stundenzahl für den Einstieg. Daraus sind dann 20 Stunden und die Führung in Teilzeit geworden. Dank viel Unterstützung auch seitens meiner Führungskraft und der Personalabteilung eben im Tandem mit Geo.

Ich habe bei meiner bisherigen Karriere ohnehin viel Glück und tolle Chefs gehabt, die mich voll unterstützen. Zu Anfang bin ich eher von meinen Chefs „weitergeschubst“ worden, die nächsten Schritte zu wagen. Es hat schon ein bisschen gedauert, aber jetzt weiß ich ganz gut selber, was ich will und verfolge meine Ziele. Ich würde sagen, dass ich mich auch durch die Unterstützung der Firma von einer unsicheren jungen Frau hin zu einer Person entwickelt habe, die genau weiß, was sie will und das auch artikuliert.

Wow, das klingt doch toll. Aber gab es auch mal die Momente, in denen ihr dachtet: Vielleicht geht Frauen und IT doch nicht so gut zusammen?

Georgia: Komische Erfahrungen in dem Sinne gab es eigentlich nie. Der eine oder andere im Bekanntenkreis hat mit meiner Wahl des Arbeitsumfeldes ein bisschen gehadert. Da kamen Kommentare wie „Warum gehst Du in die IT, da sind doch nur Männer?“. Ich fand die IT aber nun mal spannend und wollte außerdem gerne einen sicheren, zukunftsorientierten Arbeitsplatz, der mir ein gutes finanzielles Auskommen beschert. Und den hab ich hier.

Klar passiert es, dass Du ins Teammeeting kommst und da sitzen 10 Männer am Tisch. Wenn du als Frau in den Raum kommst, hast Du da natürlich automatisch eine besondere Wirkung. Einmal hat ein Kollege zu mir gesagt: „Ich bin immer froh, wenn du den Raum betrittst – dann steigt das Niveau.“ Das zeigt irgendwie auch, dass sich durch die Anwesenheit einer Frau für die Männer etwas zum Positiven ändert. Das ist doch klasse. In Bereichen wie dem Projektmanagement ist die Anzahl an Bewerbungen von Frauen mittlerweile sehr gut. Sobald es um Kompetenzstellen geht, kommen auch mehr Bewerbungen von Frauen. Heute braucht es vor allem Menschen die gute Teamplayer sind und die Kommunikationskompetenz mitbringen. Und mit diesen Kompetenzen ist jeder willkommen, unabhängig vom Geschlecht.

Cornelia: Wie gesagt, ich hatte zu jeder Zeit tolle Chefs, die mich sehr unterstützt haben. Und obwohl ich im PC-Produktmanagement damals die einzige Frau war, habe ich mich nicht komisch oder außen vor gefühlt. Ich sehe das auch nicht als branchenspezifisches Thema, sondern eher als ein gesamtgesellschaftliches. Klar müssen wir auch im Unternehmen daran arbeiten, um langfristig an Stereotypen etwas zu ändern und tradierte Strukturen zu hinterfragen. Und das war mir persönlich schon immer ein Anliegen.

Für das Thema Gender-Diversity setze ich mich intern schon seit Jahren ein. Aber wie Geo vorhin schon sagte: Früher ging Führungskraft im Homeoffice nicht, nach Corona will ich sehen, wer das noch behauptet. Führen in Teilzeit ist oft noch ein Thema – aber warum eigentlich? Unser Tandem zeigt, dass es geht und einen deutlichen Mehrwert für alle bringt. Und übrigens nicht nur für Frauen! Geteilte Führung ermöglicht es auch Männern, ihren privaten und geschäftlichen Verpflichtungen besser nachzukommen. Das Schlimmste, was uns passieren könnte, wäre, wenn Corona uns in alte tradierte Gesellschaftsstrukturen zurückwirft.

Ich glaube, es braucht einfach immer wieder den Mut, etwas anders zu machen. Und dann auch die Größe um festzustellen, dass vielleicht doch nicht alles früher besser war und sich manche Sachen ändern können und vielleicht müssen. Und natürlich die Einsicht, dass am Ende alle davon profitieren.

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen, schönes Schlusswort Cornelia! Vielen Dank Euch beiden für das Gespräch.